Das Fehlerpapier wurde von einem Leser dieser Seite beigesteuert. Als docx- und pdf-Datei ist es auf der vorherigen Seite zusätzlich zu finden.

Der Fehler bürgerlicher Wissenschaft: Instrumentalismus

Allgemeine Vorbemerkung

Die Wissenschaft ist eine Sphäre, in der sich der Gegensatz zwischen uns und Staat und Kapital manifestiert: Weil in der bürgerlichen Wissenschaft lauter Notwendigkeiten des bürgerlichen Betriebs mit dem Schein des Grundes versehen werden und so fürs Mitmachen Partei ergriffen wird, besteht für eine kommunistische Organisation der Grund, auf dem Felde der Theorie den Gegensatz von Kommunisten und Staat und Kapital deutlich zu machen und auszutragen. Im Unterschied zum Verbreiten unserer Gedanken durch Flugblätter, wo der Gegensatz bloß mitgeteilt wird, praktizieren wir hier den Gegensatz.

Gliederung des Fehlerpapiers

1. Anspruch und Ziel des Artikels

Es soll der Nachweis geliefert werden, dass der bestimmt gefasste Fehler, der Instrumentalismus bürgerlicher Wissenschaft, auf eine gesellschaftliche Praxis verweist, die auf Erkenntnis beruht und doch von ihr nicht sich bestimmt, sondern sie vorgegebenen Zwecken unterwirft und damit pervertiert.

Zwei Dinge sollen also aufgewiesen werden:

  • der allgemeine Fehler bürgerlicher Wissenschaft (Instrumentalismus)
  • die kapitalistische Bestimmtheit dieses allgemeinen Fehlers (aus seiner Existenz ist zu erschließen, dass es sich bei dieser Gesellschaft, innerhalb derer er existiert, um eine kapitalistische handelt)

Ausgangspunkt der Argumentation: Voraussetzung jeglicher Wissenschaft und somit gemeinsame Ausgangsbasis (auch bürgerlicher Geistes- und Gesellschaftswissenschaft): „Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen…“

Somit ist der Gegensatz zwischen Subjekt (Forscher) und Objekt (Gegenstand) nicht durch bloßes „Anstieren“ des letzteren zu überwinden, sondern nur durch die subjektive Tätigkeit des Erkennens, durch Nachdenken über die Wahrnehmungen vom Gegenstand. Resultat des Nachdenkens: Das, was der Gegenstand ist, fällt mit den Bestimmungen zusammen, die das wissende Subjekt von ihm hat (subjektive Willkür spielt keine Rolle).

Hat auch bürgerliche Geistes- und Gesellschaftswissenschaft (Naturwissenschaft ohnehin) den Anspruch auf „wahre Erkenntnis“, realisiert sich in den Aussagen, die sie über ihre Gegenstände macht, Erkennen? Es scheint doch anders zu sein…

Darstellung von Extrembeispielen wissenschaftlichen Skeptizismus‘. Selbst an ihnen, die diesen Anspruch doch leugnen, ist zu belegen, dass sie ihn vertreten und realisieren in:

  • Aussagen über die Möglichkeit von Erkenntnis (Gegenstand ist das „Erkennen“, Wissenschaftstheorie)
  • Aussagen über ihre Untersuchungsgegenstände

a. Zur Festlegung von Erkenntnismöglichkeiten (Vorworte wissenschaftlicher Abhandlungen, methodische Vorverhandlungen etc.). Aufweis eines Zirkels (Widerspruchs), der Behauptung der Relativität von Erkenntnis als objektive Erkenntnis, am Beispiel von:

  • Müller-Seidel, Intersubjektivität als Objektivitätskriterium; Hermeneutik
  • Popper: empirische Überprüfbarkeit, Falsifizierbarkeit als Objektivitätskriterium; Positivismus

b. Zu den Aussagen über die Untersuchungsgegenstände selbst. Aufweis desselben Zirkels an der Behauptung: „Die Gegenstände der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften unterscheiden sich von denen der Naturwissenschaften.“

Konkrete Aussagen über Untersuchungsgegenstände, die die Erkenntnis ausdrücken, dass der Gegenstand nicht in seiner Unmittelbarkeit schon wesentlich begriffen ist, sondern erst dem denkenden Zugriff sich erschließt:

  • Linguistik, Sprache: Einheit von Laut und Bedeutung im Zeichen
  • Kunst: Kunstwertung nur aus dem Begriff des Gegenstandes
  • Intelligenz: durch Gesellschaft vermitteltes Phänomen
  • Verhalten: Verhaltensmodell unzureichend für die Erfassung menschlicher Lernprozess
  • Sinn: als den untersuchten Phänomenen zukommendes Wesensmerkmal

2. Festhalten am Gegensatz von Subjekt und Objekt

Aus der dargestellten Widersprüchlichkeit der Aussagen bürgerlicher Geisteswissenschaftler (über ihre Gegenstände und über Erkennen) folgt, dass sie in ihrem Vorgehen den Gegensatz zwischen erkennendem Subjekt und vorausgesetztem Gegenstand nicht aufheben, sondern mit ihm als weiterhin bestehendem umgehen. Darstellung anhand der Widersprüchlichkeit bürgerlicher „Wissenschaftstheorie“.

a. Positivismus

Gegenstand hat keinen Begriff, Wirklichkeit, zerfällt in Sinnesdaten, die quantifizierbar sind, eine Struktur jedoch erst durch die ordnende Methode erhalten.

Objektivitätskriterien:

  • logische Konsistenz der Sprache
  • empirische Überprüfbarkeit
  • Subjekt (Wissenschaftler müssen kommunizieren)
  • Objekt (Konfrontation an der Unmittelbarkeit)

⇒ Festhalten am Gegensatz

Diese Objektivitätskriterien sollen das Dilemma auflösen, dass die Strukturzuschreibung per Methode ja das Subjekt vornimmt, welches folglich zum alleinigen Objektivitätsgaranten zu werden droht. Das verdeutlicht, dass hier am Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt festgehalten wird, indem Denkresultate (in wissenschaftlicher Sprache formuliert) an der Unmittelbarkeit des Gegenstands überprüft werden sollen, Unvergleichbares verglichen wird (allgemeine Aussagen mit sinnlicher Wahrnehmung).

Widerspruch: Trennung und anschließende Vergleichung der beiden Seiten des Erkenntnisprozesses, der Subjektivität und der ihr gänzlich unvergleichlichen „Wirklichkeit“.

Methodenpluralismus als Zeugnis falschen Vorgehens (es kann auf dem Wege über diese Vergleichung alles bewiesen werden, weil letztlich nichts auf diesem Wege beweisbar ist).

Am offensichtlichsten ist es in den Vermittlungswissenschaften, dass der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt ein unaufgehobener bleibt (Forderung nach empirisch überprüfbaren Modellen zwecks Gewinnung praktikabler Resultate).

Anhand von Curriculumstheorie, Fachdidaktik und BWL wird dargestellt, dass die Unterwerfung der Wissenschaft unter das, was sie gerade bestimmen sollte und somit die Aufrechterhaltung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt erfolgt.

Widerspruch des positivistischen Vorgehens: Positivistische Wissenschaft betreibt, obwohl sie erkennt (über das Beobachtbare hinausgehende Aussagen über ihre Gegenstände macht), ein entgegengesetztes Vorgehen (erneutes Herabsteigen auf die Wahrnehmungsebene zur Überprüfung des außerhalb ihrer selbst Gedachten).

b. Hermeneutik

„Lösung“ der Objektivitätsproblematik auf dem Wege über Sprache, Intersubjektivität macht deutlich, dass auch hier am Gegensatz von Subjektivität und Objektivität festgehalten wird. Elimination des Gegenstandes aus der Erkenntnisproblematik.

Die Hermeneutik geht in ihren scheinbaren Gegensatz, den Positivismus, über, indem sie dem Gegenstand eine subjektive Sinndeutung unterlegt und behauptet, man könne nicht mehr tun, da letzterer nie unmittelbar vorfindlich, sondern immer schon „symbolisch vorstrukturiert“ sei.

3. Instrumentalismus bürgerlicher Geistes- und Gesellschaftswissenschaft

Erkennen ist herabgesunken zur bloßen Vergleichung zwischen zwei selbständigen Seiten:

SubjektObjekt
Gedankliche Bestimmungen des Objekts, bei den Positivisten Hypothesen, bei den Hermeneutikern SinnzuschreibungenUnmittelbarkeit des Gegenstandes, wie sie durch bloßes Angaffen erfasst werden kann (Positivisten) oder für den Menschen gar nicht existiert, da stets „symbolisch vorstrukturiert (Hermeneutiker)

Mitte zwischen Subjekt und Objekt: subjektive vergleichende Tätigkeit, die den Gegenstand als selbständigen belässt, sich von ihm und äußeren subjektiven Zwecken leiten lässt

⇙ ⇘

Subjektivität Unterwerfung unter den vorgegebenen Gegenstand

Demonstration der Verfahrensweise empiristischer Wissenschaft am Beispiel der Gedächtnispsychologie/Psycholinguistik

Dreiphasiges Vorgehen:

1. Hypothesenbildung

(nach Popper nicht bereits Resultat eines wissenschaftlichen Gedankenganges, der von der Selbstgewissheit des Erkennens ausgeht, sondern Produkt einer Eingebung, möglicher Intuition oder einfachem Raten des Forschers)

Hypothese: Ausgehend von der Kapazitätsbegrenzung des menschlichen Gedächtnisses ist zu vermuten, dass der Mensch die Belastung seiner Gedächtniskapazität durch eine Ansammlung dargebotener Begriffe über die Bildung von Oberbegriffen zu reduzieren bestrebt und auch imstande ist. So reproduziert man mehr Wörter von einer zuvor dargebotenen Wortliste, wenn die Recodierung durch kategorial ähnliche Wörter erleichtert wird, als wenn es sich um unzusammenhängende Wörter handelt.

2. Experiment

Die Versuchspersonen bekommen die Aufgabe, folgende Wortlisten zu reproduzieren:

a.b.
HundHimmel
PferdGinster
KatzeAuto
StorchBuch
RoseStein
NelkeGeld
TulpeBild
AnemoneBlume

Es kommt heraus, dass die Versuchspersonen die Wortliste a. besser behalten können als die Wortliste b.

3. Schluss auf die Richtigkeit der Hypothese

Bei den in der Wortliste a. dargebotenen Wörtern handelt es sich im Gegensatz zur Wortliste b. um kategorial ähnliche Wörter (akzeptiert), sodass die Hypothese, kategorial ähnliche Wörter würden besser behalten als unähnliche, als nicht falsifiziert und somit bestätigt gelten kann, und zwar solange, bis etwas anderes beobachtet wird.

  1. Beobachtungen können eine Theorie nicht begründen (dies hatte der logische Positivismus behauptet). „So können also die Allsätze der Form ‚Alle A sind B‘ niemals durch irgendeine Anzahl von Beobachtungen verifiziert werden. Doch erstaunlicherweise sind alle wissenschaftlichen Gesetze so formuliert.“
  2. Aber Falsifikation ist möglich: „Wenn also jede Suche nach schlüssiger Verifizierung irrational ist, indem sie nämlich als die Suche nach etwas Unauffindbarem gelten muss, ist ein Widerlegungsversuch vollkommen rational. Das bedeutet, dass ein schlüssiges Wissenschaftsprogramm auf die Suche nach Widerlegungen festgelegt werden kann.“ (Behauptung der logischen Asymmetrie)
  3. Verifikation und Falsifikation sind unmöglich: Hierzu noch einmal die Behauptung Poppers an einem Beispiel: „Im Grunde ist die logische Situation äußerst einfach. Noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen können nicht die Theorie (!!) begründen, dass alle Schwäne weiß sind; aber die erste akzeptierte (!) Beobachtung eines schwarzen Schwanes widerlegt sie.“ Die Einführung des Kriteriums „akzeptabel“ dokumentiert, dass auch hier die Beobachtung allein nicht zur Entscheidung führen kann, womit das An-der-Erfahrung-scheitern-Können der Theorie nicht mehr gegeben ist. Keine noch so genaue Beobachtung eines schwarzen Schwans kann die Theorie falsifizieren, dass alle Schwäne weiß sind; denn wer garantiert, dass es sich gerade bei diesem Schwan nicht doch um einen weißen handelt, der nur in den Kohlenkeller gefallen ist? Oder, um die Gefahr zu vermeiden, dass Popper nun mit einem Staubwedel daherkommt, um einen ins Tintenfass gefallenen (wasserfeste Tinte natürlich).

Der Fehler bürgerlicher Wissenschaft

Wir sind in der Kritik bürgerlicher Wissenschaft meist schon bis zu einem Punkt gelangt, wo die im immanenten Nachvollzug aufgespürten Widersprüche allgemein formuliert worden sind als fehlerhafter Gang der Argumentation, bzw. im Resultat als Festhalten am untersuchten Gegenstand in einer Form, die dem, was das Erkennen erfordert, zuwiderläuft. Die Zwieschlächtigkeit der behandelten Wissenschaftler soll nun noch einmal zusammenfassend dargestellt und begründet werden. Ist bisher nur antizipierend von dem Fehler der bürgerlichen Wissenschaft die Rede gewesen, so soll nun der Nachweis geliefert werden, dass der bestimmt gefasste Fehler, der „Instrumentalismus“ bürgerlicher Wissenschaft auf eine gesellschaftliche Praxis verweist, die auf Erkenntnis beruht und doch von ihr nicht sich bestimmt, sondern sie vorgegebenen Zwecken unterwirft und damit pervertiert. Im widersprüchlichen Charakter eines solchen („wissenschaftlichen“) Vorgehens soll also die kapitalistische Bestimmtheit aufgezeigt werden. Das Verhältnis kann also nicht so gefasst werden, als würde erst durch die äußerliche Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse für kapitalistische Zwecke oder durch bewusste „Handlangerdienste“ für die Interessen der Monopole die Wissenschaft korrumpiert. Die platte Wissenschaftskritik von KSV oder Spartakus, die sich zumeist in Agententheorien und der Forderung nach Parteilichkeit der Wissenschaft im Dienste des Volkes erschöpft, beruht – so wird sich zeigen – auf eben dem falschen Verhältnis zum Erkennen, das auch bürgerliche Wissenschaft kennzeichnet, indem sie den instrumentellen Charakter des Erkennens ausdrücklich zum Kennzeichen „materialistischer Wissenschaft“ macht, die sich durch den vorgefassten Zweck, den parteilichen Standpunkt für das Proletariat, auszeichnet. Flacher Empirismus und moralische Appelle sind dann auch im Wesentlichen, was von diesen Gruppen als sozialistische Politik ausgegeben wird.

Wenden wir uns also zunächst noch einmal dem zwieschlächtigen Charakter der untersuchten Wissenschaften zu.

1. „… alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen…“[1]

Von dieser Voraussetzung geht, wie alles Erkennen, auch bürgerliche Wissenschaft aus. Nicht das unmittelbar Vorgefundene, Wahrgenommene soll schon den Gegenstand ausmachen, sondern erst durch die Tätigkeit des Subjekts, durch Verarbeiten von Wahrnehmungen, durch die Überwindung der vorgegebenen Erscheinung des Objekts wird der Gegenstand erfasst, wie er wirklich ist. Erst durch die subjektive Tätigkeit des Erkennens umgestaltet, erschließt sich die Identität des Gegenstands. Damit enthält Erkenntnis in ihrem Ausgangspunkt, dem Herantreten eines denkenden Subjekts an eine vorgegebene Welt, schon die Gewissheit, dass dieses Gegenüberstehen nur Schein ist, dass – wenn auch die reale Außenwelt als getrennte existent bleibt – doch im Resultat der subjektiven Tätigkeit die Bestimmungen des Gegentands als Wissen im Subjekt existieren. Im Resultat ist also der Gegensatz von Subjektivität und Objektivität durch die Tätigkeit des Subjekts aufgehoben. „Es ist somit, nur vermittels einer Veränderung, dass die wahre Natur des Gegenstandes zum Bewusstsein kommt.“[2]

Damit ist zugleich ausgesprochen, dass es sich um einen Prozess handelt, in dem die unterschiedene Einzelheit der jeweiligen Wissenschaftler keine Rolle spielt, der gerade die Partikularität subjektiver Meinungen aufhebt, da ja im Resultat das, was der Gegenstand ist, mit den Bestimmungen, die das wissende Subjekt von ihm hat, zusammenfällt.

Es könnte nun scheinen, als werde hier von außen an bürgerliche Wissenschaft ein Anspruch auf „wahre Erkenntnis“ herangetragen, der ihr weder als Anspruch geläufig, geschweige denn in dem, was sie wirklich leistet, aufzufinden sei. Formulieren doch fast alle Wissenschaftler explizit, dass es ihnen um „Wahrheit“ nur in irgendeinem eingeschränkten Sinn gehe, als empirische Überprüfbarkeit, formallogische Richtigkeit usw. Unsere Kritik ihres Vorgehens hat ja gerade das Ergebnis gebracht, dass ihr Vorgehen durch und durch widersprüchlich sei. Wir führen daher noch einmal einige Beispiele an, aus denen hervorgeht, wie selbst in den borniertesten Varianten wissenschaftlichen Skeptizismus‘, selbst in den relativistischsten Formulierungen der „Wahrheitsproblematik“ dieser Anspruch enthalten und ansatzweise eingelöst ist, und wie allgemein in den Aussagen, die bürgerliche Wissenschaft über ihre Untersuchungsgegenstände macht, Erkennen sich realisiert.

Das Bemühen um Festlegung der Erkenntnismöglichkeiten, wie es gängiges Unternehmen wissenschaftlicher Vorworte ist, enthält als solches den Hinweis auf das Gegenteil dessen, was es zumeist an Relativierungen inhaltlich ausspricht. Wer über einen Gegenstand ein Buch schreibt, hat, zumal wenn er sich bemüßigt fühlt, sich explizit mit dem Problem der eigenen Objektivität vorweg auseinanderzusetzen, damit schon in der Form die Gewissheit, die wir als Ausgangspunkt aller Erkenntnis festgehalten haben, unterstellt. Die beständige Zurücknahme des wissenschaftlichen Anspruchs, im äußersten Fall bis zur Behauptung, es handle sich nur um die Äußerung persönlicher Meinungen, solche zum guten wissenschaftlichen Ton gehörenden methodischen Vorveranstaltungen enthalten in ihrem Problembewusstsein, abgesehen vom Inhalt, den Anspruch, vorweg klarzustellen, was der Leser an Objektivität erwarten könne. Sie laufen auf den schon von Hegel in seiner Kantkritik bloßgestellten Zirkel hinaus, die Relativität der Erkenntnis als objektive Erkenntnis zu behaupten, als das zu unterstellen und zu tun, was sie als unmöglich wähnen. Erkenntnisgewissheit schlägt sich hier also noch in ihrem Gegenteil nieder (in der Gewissheit ihrer Unmöglichkeit).

Als Beispiel sollen uns noch einmal die wissenschaftstheoretischen Vorüberlegungen Müller-Seidels dienen. In seiner Charakterisierung der Wissenschaft als unendlichen Prozesses, der Objektivität nur als Grad der Übereinstimmung gesprächsoffener Individuen enthält – die Nähe zur Konsensustheorie von Habermas und zur hermeneutischen Sinnverstehenstheorie liegt auf der Hand –, steckt noch die Unterstellung, dass es bei Wissenschaft auf die Partikularität des einzelnen Subjekts nicht ankommen dürfe; dass sie wissenschaftstheoretisch thematisiert wird, zielt gerade auf ihre Eliminierung. Dabei werden im Gegensatz zum Anlass der Überlegungen – nämlich der vermeintlichen Tatsache, dass eine Aussage über einen Gegenstand notwendig mit den Schlacken der Subjektivität verunreinigt sei – in der Annahme der Möglichkeit intersubjektiver Übereinstimmung noch die einzelnen Subjekte als in gleicher Weise wahrnehmend, vorstellend, denkend unterstellt. Solche Befassung mit der Objektivitätsproblematik muss also bei den Subjekten von dem als Selbstverständlichkeit ausgehen, dessen behauptete Schwierigkeit oder auch angebliche Unmöglichkeit ihr Anlass zu Reflexionen war.

Greifen wir als weiteres Beispiel die positivistische Auffassung der „Wahrheitsproblematik“ auf, wie sie in Poppers Wissenschaftstheorie formuliert ist. Popper formuliert immerhin noch die Ahnung, Wissenschaft sei eine wie immer auch problematische Gewissheit einem noch „Ungewussten“ gegenüber. Etwas dunkel führt er aus: „D. h., dass sie [die Erkenntnis] mit der Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen beginnt.“[3] Nur aus der subjektiven Tätigkeit einer ihrer Probleme bewussten Wissenschaft erhelle sich der Inhalt des objektiv Gegebenen. Wiederum mit einer Aussage Poppers belegt, dem irgendwie aufgeht, dass wissenschaftliche Erkenntnistätigkeit eine Herabsetzung der empirisch gegebenen Objekte unter die wissenschaftliche Subjektivität impliziert: „Man könnte die Grundidee … folgendermaßen zusammenfassen: Die Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen führt zum Problem und zu den Lösungsversuchen.“[4] Damit deutet sich die doppelte Unterstellung an, die Wissenschaft macht: einerseits die vorausgesetzten empirischen Gegenstände (hier als Zonen des Nichtwissens etikettiert), andererseits die auf Vermittlung dieser Voraussetzung und damit auf Objektivität angelegte wissenschaftliche Tätigkeit (die Popperschen Lösungsversuche). Selbst dort also, wo bürgerliche Wissenschaft in guter empirischer Tradition die unmittelbaren Erlebnisinhalte für das Wahre selber hält, spricht sie noch die Gewissheit des Erkennens aus. Auf einen darin enthaltenen Widerspruch ist kurz einzugehen. Es zeigt sich nämlich sofort, dass ein sinnlich gegebener Inhalt nichts ist ohne menschliche Erfahrung. Sie ist darum für die modernen Erfahrungswissenschaften seit Bacon und Locke der eigentliche Grund objektiver Erkenntnis. Erfahrung ist aber von bloßer Wahrnehmung einzelner Tatsachen, wie sie in der Realität neben- und nacheinander vorkommen, schon unterschieden. Erfahrungen werden etwa von den Naturwissenschaften in strengen Formen gemacht. Es sind z. B. einer physikalischen Versuchsanordnung geschuldete, also „gereinigte Erfahrungen“. Damit ist die Stufe der unmittelbaren Wahrnehmung überschritten, und die modernen Empiristen können feststellen: „Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder Tatsachen. … Beobachtung wird nur dann zu einer Art Ausgangspunkt …, (wenn sie) Beobachtung in ihrer eigentümlichen Bedeutung – d. h. aber eben, die problemerzeugende Beobachtung (ist).“[5] Dass hinter der Vorstellung von einer problemerzeugenden Beobachtung noch die Einsicht in den aufgrund gewusster Fragestellungen begreifenden Charakter der Beobachtung steckt, lässt sich anhand der analysierenden Beobachtung und Beschreibung verdeutlichen. Die gegebenen konkreten Gegenstände werden in ihre abstrakten Elemente zerlegt. Diese, als unterschiedliche Eigenschaften der Gegenstände festgehalten, erhalten damit die Form abstrakter Gedankenbestimmungen. Im „Allgemeinheitsgrad deskriptiver Wahrnehmungsurteile“ ist Wissenschaft über die unmittelbar wahrgenommenen Gegenstände immer schon hinaus: Sie behauptet damit die Identität des Gegenstandes als in seinen getrennten Eigenschaften liegend.

Damit ist beispielhaft vorgeführt, wie bürgerliche Wissenschaft einen vorausgesetzten Gegenstand zu dem ihren macht, sodass seine Natur mit dem zusammenfällt, was Resultat des Denkens ist. Nur in diesem Sinn kann der erfahrungswissenschaftliche Ausgangspunkt von der Wahrheit der gegebenen Gegenstände genommen werden.

Aber nicht nur in den eigenen „Methoden“-Reflexionen bürgerlicher Wissenschaft findet sich die Formulierung des Anspruchs auf Erkenntnis noch irgendwie wieder. Nicht nur enthalten all ihre Aussagen der Form nach diesen Anspruch, behaupten sich als Wissen. Sondern in ihren Ausführungen, die bürgerliche Geisteswissenschaft über ihre Untersuchungsgegenstände liefert, lässt sich Erkenntnis fixieren. Die Unterscheidung ihrer Gegenstände von Naturgegenständen, wie sie von den Geisteswissenschaften immer wieder als Problem formuliert wird – meist pervertiert zur Behauptung unterschiedlicher Erkenntnismethoden in Natur- und Geisteswissenschaften –, setzt schon ein Wissen um den Gegenstand voraus, das weit über das hinausgeht, was bürgerliche Wissenschaft zumeist an Aussagen machen zu können behauptet. Denn mit dieser Unterscheidung ist die Ebene von Beschreibungen oder bloß erfundenen Hypothesen bereits verlassen und die selbstverständliche Unterstellung realisiert, der Gegenstand erschließe sich nur einem denkenden Zugriff, seine Identität liege gerade nicht in seiner Erscheinung. Wenn die Linguistik die Einheit von Laut und Bedeutung im Zeichen zum Ausgangspunkt nimmt, hat sie die Ebene des isolierten sinnlichen Materials schon hinter sich gelassen, kann dieses als selbständiges eigentlich nicht mehr mit empirischen Methoden untersuchen und damit etwas Wesentliches über Sprache herauszubekommen suchen. Ebenso verbietet die Erkenntnis, Kunstwertung habe ihre Begründung aus dem Begriff des Gegenstandes zu erhalten, der über unmittelbare Vorurteile hinausgehend diese gerade erst prüfe, Müller-Seidel eigentlich die Beschreibung einzelner Texte nach ihren sinnlich wahrnehmbaren Momenten, denen das Etikett Kunst vorab immer bloß zugeschrieben worden ist. Wenn Piaget Intelligenz als ein durch Gesellschaft vermitteltes Phänomen darstellt, das damit auf deren Analyse verweist, wenn Bernstein und Oevermann dasselbe von Sprache feststellen, wenn Skinner das Verhaltensmodell als unzureichend für die Erfassung menschlicher Lernprozesse zugibt, wenn Baumgartner, Sack und Habermas „Sinn“ als ein den untersuchten Phänomenen zukommendes Wesensmerkmal beschreiben, und sei es auch nur als äußerliche Sinnzuschreibung durch Subjekte, so findet sich darin dieselbe Erkenntnis ausgesprochen, nämlich dass der Gegenstand nicht in seiner Unmittelbarkeit schon wesentlich begriffen sei, sondern erst durch über das Beobachten und Beschreiben von Beobachten hinausgehendes Nachdenken über seine Vermitteltheit. Es geht also bei bürgerlicher Wissenschaft sowohl in der Formulierung des jeweiligen Ausgangspunkts wie in das, was sie im Gang der Untersuchung über ihren Gegenstand aussagt, ein Wissen ein, das Realisierung von Erkennen ist.

Auf die eine oder andere Art sind sich also alle, die Wissenschaft betreiben oder über sie reflektieren – was ja selbst wieder wissenschaftliche Tätigkeit ist – darüber einig, dass sie in ihrer Tätigkeit übers bloß „bestialische Anstieren der Welt“[6] schon hinaus sind.

2. Die dargestellten Widersprüche in den Aussagen bürgerlicher Geisteswissenschaftler implizieren aber, dass sie zugleich in einer Weise mit dem Gegenstand verfahren, die dem Erkennen zuwiderläuft, hinter das zurückgeht, was als Voraussetzung und als Prozess des Erkennens schon unterstellt war.

Denn der Nachweis durchgängiger Widersprüchlichkeit wissenschaftlicher Aussage heißt ja nichts anderes, als dass in das Erkennen etwas Entgegengesetztes eingeflossen ist, dass der Gegensatz zwischen erkennendem Subjekt und vorausgesetztem Gegenstand zugleich auch nicht aufgehoben ist, sondern vielmehr mit ihm als weiterbestehendem umgegangen wird.

Dies sei zunächst wieder an der Widersprüchlichkeit bürgerlicher „Wissenschaftstheorie“ dargestellt. Positivistischen Theorien bricht die Objektivität von Erkenntnis auseinander in die logische Schlüssigkeit als Problem wissenschaftlicher Sprache auf der einen Seite und dem „hypothetischen Verfahren“ auf der anderen Seite, wobei für beides das Festhalten am Gegensatz konstitutiv ist. Ihr zerfällt die Wirklichkeit zunächst einmal in Sinnesdaten, die quantifizierbar sind und alle gleichermaßen berücksichtigt werden müssen; diese „Menge“ abstrakter Eigenschaften weist in sich noch keinerlei „Struktur“ auf, die erst durch die ordnende Methode nachgeliefert werden soll. Damit hat der Gegenstand keinen Begriff, ist also nicht eigentlich objektiv. Schon Hegel kritisiert an einer solchen Auffassung:

„Wenn zur Objektivität die äußerliche in Raum und Zeit bestimmte Anschauung gefordert wird, so sieht man wohl, dass unter Objektivität nur diejenige sinnliche Realität gemeint ist, über welche sich erhoben zu haben Bedingung des Denkens und der Wahrheit ist.“[7]

Objektivität ist aber der wissenschaftliche Anspruch. So hat das Missverstehen des Gegenstands zur Folge, dass die Gewähr für objektive Aussagen allein ins Subjekt fällt. Dies wird als Mangel gesehen, der durch die Zweieinigkeit von logischer Konsistenz und empirischer Überprüfbarkeit behoben werden soll. Einerseits wird die logische Schlüssigkeit zum Kriterium für Objektivität erhoben und damit auf die Ebene „wissenschaftlicher Sprache“ verlegt. Mit der einheitlichen Wissenschaftssprache soll intersubjektive Diskussion möglich sein, die Missverständnisse ausschließt und so dem Richtigen zur Durchsetzung verhelfen soll. Damit ist aber die Willkür nur zur intersubjektiven Willkür verallgemeinert, denn der Gegenstand, auf den die Richtigkeit der Aussagen bezogen sein soll, kommt zunächst gar nicht mehr vor. So wird ein weiteres Kriterium herangezogen, um aus dem Dilemma herauszukommen: die empirische Überprüfbarkeit. Es muss also nach einer Übereinstimmung der subjektiven Gewissheit mit den Gegenständen erst noch gesucht werden. Exemplarisch Popper:

„Wir nennen eine Aussage ‚wahr‘, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt oder den Tatsachen entspricht oder wenn die Dinge so sind, wie die Aussage sie darstellt. Das ist der sogenannte absolute oder objektive Wahrheitsbegriff…“[8]

Die Prüfung der Übereinstimmung von subjektiven Aussagen und Gegenständen, wobei erstere die Objektivität bereits in die Form der Allgemeinheit erhoben haben, letztere als einzelne, unmittelbar der sinnlichen Wahrnehmung zugängliche bestehen bleiben, verfällt notwendig in eine geschäftige Orientierung an dem äußerlich belassenen Gegenstand, welcher als „Garant von Wirklichkeit“ eine nachträgliche Kontrolle der Theorie gewährleisten soll. Der Widerspruch liegt also in der Trennung und der anschließenden Vergleichung der beiden Seiten des Erkenntnisprozesses, der Subjektivität und der ihr gänzlich inkommensurablen „Wirklichkeit“. Solche Wissenschaft muss sich sagen lassen:

„… Nach dieser Vorstellung wird ein Subjekt geboren mit einem Paket Wechsel im Kopf, welche auf eine außerhalb jenes Kopfes existierende Welt bezogen sind – die Frage aber wäre, ob die Wechsel von dieser Bank akzeptiert werden, ob sie nicht falsch sind – oder mit einem Haufen Lotterielose in der Seele, von denen man niemals erfahren wird, ob sie nicht lauter Nieten sind, weil kein Ziehen der Lotterie erfolgt, durch das sie realisiert würden.“[9]

Da die Ebene der sinnlichen Wahrnehmung und die Ebene allgemeiner Aussagen ganz disparat sind, kann mit solch falsch verstandener Objektivität alles bewiesen werden – also lässt sich gar nichts mit ihr beweisen. Beredtes Zeugnis davon ist der Methodenpluralismus. Solcherart positivistische Geschäftigkeit resultiert bei den sogenannten Vermittlungswissenschaften wie Curriculumstheorie, Fachdidaktik, BWL usw. ausdrücklich aus der Forderung nach empirisch überprüfbaren Modellen zwecks Gewinnung praktikabler Resultate. Eben in dieser Anwendbarkeit soll z. B. in der Curriculumstheorie die „Verwissenschaftlichung“ der Ausbildung durch die Disziplin liegen. Aus der Orientierung an einer vorweg gegebenen Praxis entspringt also hier die Übertragung eines missverstandenen „naturwissenschaftlich exakten“ Wissenschaftsbegriffs auf die Geisteswissenschaften. Doch scheitert dann solche Theorie an einer Praxis, die als „Lebenssituation“ in den Ausbildungswissenschaften oder als „Entscheidungssituation“ in der BWL die zunächst so hoffnungsfrohen Wissenschaften daran mahnt, dass im Leben ja doch alles noch ganz anders aussehe, dass die angebliche Praktikabilität nur eine äußerliche Korrelierung abstrakter Momente war, die nun als unbegriffene Einheit in Gestalt der „Praxis“ sich geltend macht. Für solche Wissenschaft resultiert dann daraus die bedauernde Feststellung, dass sie noch nicht so weit seien, oder der Verweis auf immer noch notwendige „Wertentscheidungen“.

Andererseits begründet sich eben aus diesem Mangel die falsche Forderung der Fachdidaktik, die Einzelwissenschaften sollten doch in den Vorgehensweisen und Ergebnissen sich mehr am Gesichtspunkt der „Praktikabilität“ orientieren, womit sich endgültig der Ausgangspunkt verkehrt hat: Was ursprünglich ihre Problemstellung implizierte, den Mangel einer Gesellschaft, die Wissenschaft benötigt und sie doch als getrennte Institution betreibt, zu analysieren und diesen Mangel auch in den Wissenschaften aufzufinden, wandelt sich nun zum Versuch, die Beziehung vorgegebener wissenschaftlicher Ergebnisse auf eine unterstellte gesellschaftliche Praxis zu verbessern. Praktikabilität heißt denn auch nichts anderes, als die Wissenschaft den übernommenen praktischen Erfordernissen anzugleichen suchen. Die geforderte „Verwissenschaftlichung“ der Praxis ist somit verkommen zur Unterwerfung der Wissenschaft unter das, was sie gerade bestimmen sollte. Festzuhalten bleibt, dass sich das positivistische Verfahren solcher Vermittlungswissenschaften aus ihrem unmittelbaren praktischen Zweck zu begründen sucht.[10] Die widersprüchliche Beziehung der Wissenschaft auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erweist sich hier also als genuiner Mangel der Wissenschaft selbst, die obwohl sie erkennt, zugleich damit ein entgegengesetztes Vorgehen betreibt.

Auch die Hermeneutik hält am Gegensatz von Subjektivität und Objektivität fest, bezieht beides nur äußerlich aufeinander. Erinnern wir uns an Müller-Seidels Formulierung, Wissenschaft sei ein Gespräch, das Wahrheit nur als die möglichst weitgehende Übereinstimmung der beteiligten Subjekte enthalte. So vom zu erkennenden Gegenstand abgelöst, verlagert sich folgerichtig die Frage nach Objektivität – analog zum Positivismus – in die nach den Möglichkeiten der Sprache, eine Übereinstimmung der Subjekte zu gewährleisten. Unfähig, die Selbstgewissheit des Erkennens geltend zu machen, gerät bürgerliche Wissenschaft bei solchen Selbstreflexionen immer weiter in den Zirkel erkenntnistheoretischer Problematisierungen, die jeweils das, worauf sie sich selber doch stützen müssen, als erst zu erweisende Möglichkeiten des Erkennens relativieren und so beständig gegen ihren Ausgangspunkt verstoßen (müssen). Erst wird der Gegenstand aus der Erkenntnisproblematik eliminiert, dann die Identität der Gedanken verschiedener Subjekte exakt festzulegenden Benennungsprozessen durch Sprache zugeschrieben, deren Tauglichkeit als Instrument zum Ausdruck von Gedanken vorher als selbstverständlich unterstellt werden musste. Die Paradoxie ist darin am offensichtlichsten, dass solche Zweifel an der Fähigkeit der Sprache und der Versuch zur Festlegung wissenschaftlicher Metasprachen selber nur sprachlich vorgebracht werden können. (Sprache, die als Ausdruck von Gedanken unterstellt war, wird nun als äußerliches Material genommen, das exakt festgelegt auch erst Gedanken ausdrücken könne.) Die Erscheinungsform der Gedanken, ihre materielle Seite, soll also nun deren Objektivität ausmachen. Solchem Intersubjektivitätswahn[11] bleibt der Gegenstand notwendig äußerlich, einerseits positivistischer Beschreibung zugänglich, andererseits mit einem „Sinn“ behaftet, der entweder als solcher unterstellt in der Beschreibung mitenthalten behauptet wird – damit bleibt es aber bei der Behauptung, dass er ja mehr sein soll als das bloß beschreibbare Material – oder aber überhaupt nur als etwas aufgefasst wird, das die Subjekte den empirischen Gegenständen zuschreiben.

Hermeneutische Reflexion, die in endloser Besinnung auf die Stellung des erkennenden Subjekts zur leider immer schon „symbolisch vorstrukturierten“ Welt dem nie ganz unmittelbar vorfindlichen Gegenstand nachtrauert und sich so an einer „Kontextabhängigkeit des Sinnverstehens“ nach der anderen abrackert, geht damit in ihren scheinbaren Gegensatz über, den Positivismus, indem sie entweder die subjektive Sinnkonstruktion auf einen äußerlich gegebenen empirischen Gegenstand bezieht, oder diesen in seiner Gegebenheit unmittelbar als Geistigen behauptet, den Sinn schon durch die Beschreibung der Außenseite des Gegenstands mitzuliefern behauptet, und damit doch nur wieder der subjektiven Sinndeutung verfällt, die sie dem Gegenstand unterlegt.

3. Erkennen ist somit in bürgerlicher Wissenschaft herabgesunken zur bloßen Vergleichung zwischen zwei selbständigen Seiten, der subjektiven Bestimmungen mit einem davon unberührt gelassenen Gegenstand, zur permanenten Konfrontation subjektiver Aussagen mit den unmittelbar gegebenen Gegenständen, wobei der Anspruch, Erkenntnis solle es sein, sich als Forderung nach Übereinstimmung geltend macht. Dieses In-Beziehung-Setzen als subjektive Tätigkeit bedeutet, dass das Subjekt sich negativ gegen seine eigene Erkenntnistätigkeit, nicht aber negativ gegen die Vorgefundenheit des Objekts verhält, d. h. dass das Subjekt sich nur am Gegenstand als selbständig belassener Voraussetzung orientiert. Was als übergreifende Tätigkeit über die beiden Seiten sich behauptete, ist damit pervertiert zu einer subjektiven Tätigkeit, die als Mitte zwischen Subjekt und Objekt tritt, zwischen ihnen vermittelt, d. h. sich in der Vergleichung zwischen zwei vorgegebenen Seiten erschöpft. Sie schiebt sich also zwischen Objekt und die vom Subjekt gegebenen subjektiven Bestimmungen. Indem sich das Subjekt gegenüber dem Gegenstand als getrenntes festhält, seine Gedankenprodukte als subjektive an den Gegenstand heranträgt, sie ihm als Merkmale zuschreibt und an seiner Objektivität „überprüft“, sich somit am unmittelbaren Gegenstand orientiert, vollzieht es eine theoretische Tätigkeit, die als ein Drittes, Vergleichendes sich von Vorgegebenem leiten lässt. Solch theoretisches Wissen lässt sich als Instrumentalismus charakterisieren. Es ist Subjektivität und zugleich das Gegenteil, Unterwerfung unter den vorgegebenen Gegenstand. Als solche Vermittlung hat diese Tätigkeit die Bestimmung, eine außerhalb vorgegebene Subjektivität, d. h. äußere Zwecke vorauszusetzen: Sie ist Mittel von ihr äußerlichen Zwecken. Dieser Tätigkeit ist damit zugleich der Gegenstand Mittel, Objektivität, die sie als unmittelbar existierende aufnimmt und auf subjektive Zwecke bezieht. Indem diese subjektive Tätigkeit zwischen dem Objekt und den Gedankenresultaten als subjektiven Bestimmungen vergleichend steht, ist sie nicht nur der Form der Unmittelbarkeit, die der Gegenstand hat, ausgeliefert, sondern setzt so – obwohl selber subjektive Tätigkeit – die Subjektivität als von ihr unabhängige voraus, die ihren Inhalt nicht, wie im Erkennen impliziert, in den Bestimmungen des Gegenstands hat. Bürgerliche Wissenschaft zielt damit nicht mehr auf den Begriff eines Gegenstands, es geht ihr nicht mehr um die Begründung seiner bestimmten Beschaffenheit, d. h. den inneren Zusammenhang seiner Eigenschaften, sondern sie belässt es bei der Feststellung von „Seiten“, „Eigenschaften“, „Aspekten“, da alle gleichermaßen für mögliche Zwecke wichtig werden können. (Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, wo er über Definitionen spricht!)

Wie im einzelnen bürgerliche Geisteswissenschaft mit ihrem Gegenstand instrumentell verfährt, wie dieser Umgang näher zu charakterisieren ist und wie er den geisteswissenschaftlichen Gegenstand verfehlen muss, werden wir im 4. Punkt noch einmal allgemein und anhand von in den Referaten vorliegenden Beispielen darstellen. Es sollte aber schon klargeworden sein, dass solcher Instrumentalismus bürgerlicher Geisteswissenschaft nicht die äußerliche, nachträgliche Beziehung der Wissenschaft auf gesellschaftliche Ansprüche, die bewusste Übernahme praktischer Zwecke durch die Wissenschaften meint, wenn auch dieses Verhältnis vieler Wissenschaftszweige bzw. Wissenschaftler nicht geleugnet werden kann. Doch lässt sich der Fehler bürgerlicher Wissenschaft darauf nicht beschränken. Der allgemeine Charakter instrumentellen Verhaltens als spezifisches Umgehen mit dem „Erkenntnisgegenstand“, die Pervertierung von Erkenntnis zum theoretischen Umgang mit einem vorausgesetzt belassenen Gegenstand, der darin eingeschlossene Standpunkt allgemeiner Zweckmäßigkeit ist das wesentliche Signum bürgerlicher Wissenschaft, unabhängig davon, ob er sich explizit formuliert findet oder ob ein bestimmter Zweck, ein bestimmtes „erkenntnisleitendes Ziel“ ausgesprochen wird oder praktische Zwecke ausdrücklich der wissenschaftlichen Untersuchung zugrunde liegen. Die unmittelbare praktische Orientierung ist also nur eine Ausformung dessen, was hier als Instrumentalismus dargestellt worden ist. Ihre Konstatierung fällt im übrigen mit dem, was wir über das Vorgehen der Wissenschaft dargestellt haben, gerade nicht zusammen, wenn – wie z. B. beim KSV – nur eine Beziehung der Wissenschaft festgestellt wird, nicht aber der widersprüchliche Charakter ihrer „Erkenntnistätigkeit“ selbst bezeichnet wird.[12]

4. Wir stellen nun – mit Beispielen aus den Einzelwissenschaften – allgemein dar, wie solcher Instrumentalismus den geisteswissenschaftlichen Gegenstand verfehlen muss. Damit schließen wir das Resultat solcher „Erkenntnistätigkeit“, die wissenschaftlichen Aussagen, noch einmal zusammen mit dem fehlerhaften Charakter dieser Tätigkeit selbst. Dies darf nicht missverstanden werden, als ob der Fehler bürgerlicher Geisteswissenschaft dem spezifischen Charakter des Gegenstands geschuldet wäre. Vielmehr haben wir ihn als Widerspruch der Tätigkeit selbst dargestellt und werden im 5. und 6. Punkt aus diesem Widerspruch dem Verweis auf den Grund außerhalb der bürgerlichen Wissenschaft nachgehen. Die Behauptung, der Gegenstand selber würde den Fehler bewirken, impliziert ja nicht nur die Unmöglichkeit, überhaupt geistige Gegenstände zu erkennen, sondern ist als angebliches Wissen von der Unbegreiflichkeit geistiger Gegenstände ein Zirkel, der sich nur zu deutlich als Ausfluss eben der falschen Stellung zum Gegenstand zu erkennen gibt, die wir bürgerlicher Wissenschaft vorwerfen. Dieser Zirkel findet sich ja auch bei ihr in etwas anderer Form als gängiger Topos, nämlich in der Behauptung einer doppelten Methode der Erkenntnis, je nachdem, ob es sich um Geistes- oder Naturwissenschaft handle. Dass solche Unterwerfung unter den Gegenstand die Bestimmungen von Erkenntnis verfehlt, geht hier schon daraus hervor, dass dieses Wissen über unterschiedslos alle Gegenstände unabhängig von ihrem spezifischen Charakter in geradem Widerspruch zu seinem eigenen Inhalt steht, nämlich dass der Gegenstand sich nur jeweils einer bestimmten „Methode des Erkennens“ erschließe.[13]

Sehen wir also nun noch einmal zu, wie die widersprüchliche „Erkenntnistätigkeit“ bürgerlicher Geisteswissenschaftler in ihren Aussagen sich niederschlägt.

Die vergegenständlichten Formen des menschlichen Geistes haben die Bestimmung der selbstbewussten Subjektivität an sich – sie sind nicht ein vorgefundenes Material wie die Natur, dessen immanenten Gesetzmäßigkeiten wir uns unterwerfen müssen, um uns seiner zu bemächtigen, wobei es für das Erkennen dann nicht darauf ankommt, was wir mit ihm anstellen. In den Bestimmungen von Sprache, Gesellschaft, Recht usw. – also in den Gegenständen der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften – liegt unsere eigene Identität, die zu instrumentalisieren deshalb einen Widerspruch zum Begriff des von den Naturschranken durch Arbeit emanzipierten Subjekts einschließt. Sie enthalten als unsere eigenen Produkte bereits bestimmte Zwecke und sind diesen gemäß gestaltet: Ihre diversen beobachtbaren Eigenschaften leiten sich also von den in ihnen realisierten Zwecken ab und stehen nicht gleichgültig nebeneinander.

So fand sich denn auch in allen kritisierten Geisteswissenschaften eine Ahnung darüber, dass der gesellschaftliche Gegenstand seine Bestimmtheit nicht bloß einem zufälligen Zusammenhang seiner äußerlichen Momente, verschiedenen Eigenschaften zu verdanken habe, sondern dass er in sich eine wesentliche Bestimmung enthalte, werde sie nun „Sinn“, „Geist“, „gesellschaftlicher Charakter“ oder anders benannt, die sich in einer ihr gemäßen Erscheinung ausgeprägt hat, die die innere Einheit der feststellbaren Momente ausmacht.

Hermeneutische Gegenstandsauffassung unterstellt dies in irgendeiner Form ebenso, wie es sich in positivistischen Ansätzen geltend macht. Müller-Seidels Redensart, bei der Interpretation eines Sinnzusammenhangs individueller Kunstgegenstände seien wir auf ein Wertgefühl angewiesen, seine Interpretationen, die auf den künstlerischen Sinn einzelner Texte abzielen, der sprachwissenschaftliche Ausgangspunkt der Einheit von Laut und Bedeutung im sprachlichen Zeichen, Luhmanns Ausgangspunkt der „Sinnhaftigkeit“ von Welt und Mensch basieren ebenfalls darauf, dass das empirische Material seine Identität in seinem Charakter als Produkt menschlicher Tätigkeit hat, wie sich dies in pervertierter Form in den Interaktionstheorien findet, sei es im Habermas‘schen Wahn, unterschiedslos alle gesellschaftlichen Phänomene als symbolische Interaktion zu apostrophieren, sei es Sacks Verständnis von Kriminalität als sprachlichem Zuschreibungsprozess, sei es Baumgartners Verlagerung des „Sinns“ historischer Ereignisse in den spezifischen Charakter historischen Erzählens. Auch bei Piaget findet sich im Gegensatz zu seiner Auffassung, durch Experiment und Beobachtung sei Intelligenz als verinnerlichte materielle Tätigkeit zu erklären, in verschiedenster Form die Erkenntnis, dass Intelligenz wesentlich geistige Tätigkeit ist, sei es, dass er sie als gesellschaftlich vermittelt bezeichnet, sei es auch nur, dass er sie als verinnerlichte und damit nicht mit ihrer empirischen Vorfindlichkeit zusammenfallende Tätigkeit benennt. Selbst die durch und durch positivistische Theorie der Verstärkung von Skinner gerät mit dem impliziten Eingeständnis, menschliches Verhalten lasse sich nicht widerspruchslos unter die Gesetze der Verstärkung subsumieren – z. B. ausgedrückt in der begriffslosen Feststellung, Individuen, die sich unter a priori positiver Verstärkung verhielten, würden aversive Stimuli, eine chaotische Umwelt schaffen – und in seiner Forderung nach geplanter Kultur als Lösung in Widerspruch zu seinem Ausgangspunkt, menschliches Verhalten in Absehung von seiner geistigen Bestimmtheit gesetzmäßig fassen zu können. In allen Geisteswissenschaften ist also in irgendeiner Form die Besonderheit ihres Gegenstands, Objektivation menschlichen Geistes zu sein, abstrakt ausgesprochen.

Doch was bürgerliche Wissenschaftsbemühungen über diese Gegenstände ausführen, welche Form der Gegenstand in ihren Aussagen annimmt, ist etwas ganz anderes. Zwar wird der Ausgangspunkt, dass es sich um einen geistigen Gegenstand handelt, nicht explizit aufgegeben, doch werden laufend dazu im Widerspruch stehende „Erkenntnisse“ formuliert. Denn anstatt dem Charakter des Gegenstands gemäß die Einheit seiner feststellbaren Eigenschaften aus der in ihm materialisierten Subjektivität zu begründen, das beziehungslose Nebeneinander beobachtbarer Gegenstandsmomente in der Erkenntnis ihre wesentlichen Zusammenhangs aufzuheben, der den Begriff des Gegenstands ausmacht, fällt bürgerliche Wissenschaft auf eine geschäftige Orientierung am unmittelbar Vorgefundenen zurück, das sie nun als gleichgültig nebeneinander existierende Eigenschaften äußerlich belässt, als Wahrnehmungsunterschiede in die Form allgemeiner Gedankenbestimmungen aufnimmt und als solche in eine Beziehung setzt, die sich also von dem in den Gedankenbestimmungen eingeschlossenen empirischen Material leiten lässt, als wäre an ihm der innere Zusammenhang unmittelbar feststellbar, beobachtbar. So kommt bürgerliche Geisteswissenschaft nur dazu, den Gegenstand in seinen äußerlichen Momenten zu analysieren, in voneinander isolierte Eigenschaften auseinanderzureißen, was als Manifestation subjektiver Zwecke in eben diesem seine Bestimmung hat. Der geistige Gegenstand ist ihr damit in ihren Aussagen verkommen zu einem Ding mit vielen Eigenschaften, von dem sich nicht mehr sagen lässt, „welche Seiten als zu seiner Begriffsbestimmung und welche nur zu der äußerlichen Realität gehörig angesehen werden sollen.“[14]

Die solchermaßen abstrakten Momente, die als gleichberechtigte Merkmale, Eigenschaften als zum Gegenstand irgendwie zugehörig erscheinen, lassen kein Prinzip mehr erkennen, die diversen „Seiten“ in ein bestimmtes Verhältnis zueinander zu setzen, sodass sie nur noch aus der Einstellung des sie betrachtenden Forschers aufeinander bezogen werden, in Form von „Definitionen“, die jeweils einen oder mehrere „Aspekte“ für wesentlich erklären unter Abstraktion von anderen; diesen Aussagen können dann andere gleichberechtigt entweder entgegengestellt oder „ergänzend“ beigesellt werden, je nachdem, was sich beim stupiden Geschäft des Anschauens äußerer Gegenstände dem Betrachter aufdrängt. Der Methodenpluralismus bürgerlicher Wissenschaft hat hier seinen Grund: Denn die Fülle empirisch wahrnehmbarer Seiten des Gegenstands fordert den Wissenschaftlern das Äußerste ihres Kombinationstalents ab, sodass hier der Eindruck entstehen mag, jede neue originelle Korrelierung bisher unverbundener Faktoren des Gegenstands werde die wissenschaftliche Erkenntnis wieder ein Stückchen voranbringen, von dem wir freilich wissen, dass er – unbeschadet seiner Länge – eine Sackgasse ist. Dass solcherart äußerliche Fixierung der Untersuchungsgegenstände unter einem oder mehreren „Aspekten“ jeweils als „Methoden“ behauptet werden, weist noch hin auf die Unterwerfung wissenschaftlicher Tätigkeit unter ihren Gegenstand. Bürgerliche Wissenschaft drückt diesen Sachverhalt, dass solchem Bemühen der Gegenstand als unbegriffener Problem bleibt, als verquere Ahnung insofern aus, als sie entweder die Korrelierung der verschiedensten Theorien, die jeweils zur Lösung bestimmter Problemstellungen „tauglich“ sein sollen, fordert, um sich dem Ganzen des Gegenstands in irgendeiner Form noch anzunähern oder aus der Konkurrenz widerstreitender „Methoden“ den Schluss der Unmöglichkeit von Erkenntnis zieht. Damit eröffnet sich bürgerliche Wissenschaft das weite Feld von „methodologischen“ und „erkenntnistheoretischen“ Reflexionen über den Wahrheitsgehalt von Aussagen, die Relativität von Erkenntnis, die Offenheit wissenschaftlichen Gesprächs usw. Der widersprüchliche Charakter ihres eigenen Tuns, der das Verfehlen des geistigen Gegenstands bewirkt, zwingt also bürgerliche Wissenschaft die permanente Beschäftigung mit dem Problem wissenschaftlicher Objektivität auf, das sie dann ebenfalls in ihren Aussagen notwendig verfehlt.[15]

Kennzeichen bürgerlicher Wissenschaft ist also, dass die Bestimmungen des Gegenstands abstrakt bleiben, entweder in dem Sinne, dass sie als Gemeinsamkeit ansonsten verschiedener konkreter Gegenstände unter einem „Gesichtspunkt“ auftreten – vgl. unsere Kritik der Linguistik –, die sie nur als unmittelbar identisch feststellbare festhält; vgl. auch die abstrakte Subsumtion sämtlicher gesellschaftlicher Phänomene unter die Bestimmung Kommunikation, also das Festhalten an einem gemeinsamen Erscheinungsmoment dieser Phänomene, oder indem sie das Wesentliche des Gegenstands in den beobachtbaren Eigenschaften allein festzuhalten unternimmt, an ihnen das einzig objektive Kriterium wissenschaftlicher Aussagen zu besitzen glaubt, oder indem sie das Bestimmende des Gegenstands als in seinen einzelnen Seiten immer schon Vorausgesetztes belässt, als im Objekt wie im Subjekt immer schon Gegebenes unterstellen muss. Letzteres macht die crux jeder Art Hermeneutik aus, wenn sie zwischen „Sinnverstehen“, „Wertgefühl“ des Subjekts als notwendiger Voraussetzung und zugleich notwendigem Vorurteil hin und her laviert bzw. in endloser Besinnung auf die Stellung des erkennenden Subjekts zur leider immer schon „symbolisch vorstrukturierten“ Welt dem nie ganz unmittelbar vorfindlichen Gegenstand nachtrauert und sich so an einer „Kontextabhängigkeit des Sinnverstehens“ nach der anderen abrackert.[16]

Nur mühsam und widersprüchlich „gelingt“ es ja Baumgartner, sich bis zum rettenden Schlusspunkt, dem schlichten Resultat, das Allgemeinheitsstreben sinnstiftender Geschichtserzählung liege im Wesen des Menschen, hier gebe es nichts weiter zu begründen, durchzuhangeln und somit das, was er ursprünglich bei Geschichte erklären zu wollen unternahm, in anderer Form am Ende immer als per se zu Unterstellendes befriedigt beiseite lassen zu können. Leichter macht es sich da der scheinbar so problembewusste Müller-Seidel, der, nachdem er sich auf wissenschaftliches Gespräch als einzig zu erhoffendes Objektivitätskriterium zurückgezogen, unbesorgt dazu übergehen kann, das, was Kunst sein soll, mit tautologischen, nebeneinanderstehenden „Grenzbestimmungen“ zu umschreiben und dort, wo es um die Begründung solcher Bestimmungen ginge, das Material, einzelne Text, anzuführen, an denen er diese Bestimmungen unterstellt und damit auch in ihrer Beschreibung wieder „auffindet“. Aber auch in anderen Formen schlägt sich die Unfähigkeit, den für geistige Gegenstände konstitutiven Begründungszusammenhang, ihre Produziertheit zu begreifen, nieder als beständige Aufgabe des Ausgangspunkts und tautologisches Geschäft. Nahezu alle Theorien, die ein bestimmtes Phänomen aus der bürgerlichen Gesellschaft erklären wollen, erschöpfen sich im Gegenteil von Erklärung, nämlich in der Feststellung von Wechselwirkung, sei dies nun explizit gemacht oder nicht – die wachsende Zahl der sogenannten Bindestrichwissenschaften, der Soziologien bezeichnet dies als allgemeinen Trend. Als Beispiel sei nur auf die Sprachbarrierentheorie verwiesen, die einerseits feststellt, Sprache sei von gesellschaftlichen Strukturen geprägt, andererseits aber, gesellschaftliche Prozesse würden durch Sprachverhalten bestimmt. Alle weiteren Fehler beiseite gelassen – wie auch die Kommunikationsforschung verdoppelt die Soziolinguistik den Fehler, indem sie bei der Charakterisierung von Sprache die Widersprüche der Linguistik nachbetet – reduziert sich die Erklärung damit auf die Feststellung, zwei Phänomene stünden in gegenseitiger Abhängigkeit. Dies bedeutet nichts anderes als das Abgleiten in tautologische Aussagen über zwei selbständig unterstellte Gegenstände. Dass bürgerliche Wissenschaft mit solch tautologischem Konstatieren von wechselseitigen Beziehungen zwischen allen möglichen gesellschaftlichen Momenten nur das empirisch Beobachtbare als solches aufnimmt und in eine äußerliche Verbindung bringt, hindert sie durchaus nicht, diese als Erkenntnis zu behaupten mit dem Hinweis auf die „Dialektik“ der Welt, die bürgerliche Wissenschaft immer dann ins Feld führt, wenn sie das saure Geschäft des Erkennens erst eigentlich zu vollbringen hätte.

Ein weiteres Resultat bürgerlicher Wissenschaftsverkommenheit ist – wir haben dies schon bei unseren Ausführungen über die Hermeneutik angedeutet – die Auseinandersetzung des zunächst am Gegenstand in Einheit behaupteten, seiner empirischen Seiten und seiner geistigen Bestimmtheit, bzw. umgekehrt deren unmittelbares Ineinssetzen. Aus letzterem resultiert die Beschreibung der empirischen Eigenschaften, als sei durch sie deren Produziertheit, die in ihnen eingeschlossene gesellschaftliche Bestimmtheit miterkannt. Solches Beschreiben belässt gerade das Spezifikum des Gegenstands als bloß Vorausgesetztes, bleibt dabei stehen, das sinnlich Greifbare als Wirkung einer Ursache aufzufassen, die außerhalb der Beobachtung bleibt. Was vermittelt sein soll, wird so als Unmittelbares genommen. Der ersteren Variante aber wird die Vermittlung zum bloßen „Zuschreibungsprozess“ eines individuellen Sinns zu einem empirisch gegebenen Material – sei es das Lautmaterial der Sprache, sei es die materielle Beschaffenheit des einzelnen Kunstwerks, sei es das geschichtliche Faktum, als empirisch feststellbares Ereignis, sei es der äußere Tatbestand einer Handlung, der die Eigenschaft „kriminell“ zugeschrieben wird, sei es die chaotische Wirklichkeit, an die das Subjekt sinnstiftend herantritt usw. So getrennt nun unterstellend, was am Gegenstand in Einheit sein sollte, verlagert sich wissenschaftliche Beschäftigung auf die Untersuchung, wie die beiden getrennten Seiten denn im Zuschreibungsprozess zusammenkommen, wie dem objektiven Faktum ein „Sinn“ quasi übergestülpt wird. Hier ist an die Stelle der Erkenntnis ganz offensichtlich das Interesse getreten, was man mit einem Gegenstand macht bzw. machen kann, welche Funktion er erfüllen kann, d. h. zu welchen Zwecken ein vorgegebener Gegenstand tauglich ist. So haben wir denn ja auch in den Referaten verschiedentlich festgestellt, dass statt des Erklärens gesellschaftlicher Gegenstände bürgerliche Wissenschaft immer wieder nur die Anwendung dessen beschreibt, den möglichen Umgang mit dem, was gerade erklärt werden sollte.

Alle diese Resultate bürgerlicher Wissenschaft – und jeder kann sich aus den von uns kritisierten Einzelwissenschaften weitere Belege sammeln – verweisen also darauf, dass es für sie kennzeichnend ist, den geistigen Gegenstand als Vorgegebenen zu belassen und in einer Weise mit ihm umzugehen, dass – obwohl sie von der Unterscheidung ihrer Untersuchungsgegenstände von Naturgegenständen ausgeht – sie unfähig wird, die Bestimmtheit des Gegenstands überhaupt noch auszumachen. Sie unterwirft ihn einer Betrachtungsweise äußerer Zweckmäßigkeit, der es nur um die Feststellung zu tun ist, Eigenschaften an ihm aufzufinden. Sie verhält sich also zu diesen besonderen gegenständlichen Formen, die den menschlichen Geist ausmachen, als wären sie ein Stück Natur, das je nach dem an sie herangetragenen Zweck nach verschiedenen Seiten hin nutzbar gemacht werden kann. Das Resultat des empirischen „wahrheitsgarantierenden“ Herumsuchens ist die Begriffsbestimmung eines Gegenstands, der mit seinen wie an einem Naturding sich äußerlich und gleichgültig nebeneinander bleibenden Eigenschaften identifiziert wird. Damit hat Geistiges im Resultat bürgerlicher Wissenschaft die Form von Natur erhalten. Explizit als Ziel ausgesprochen:

„Man kann vermuten, dass am Ende unseres Jahrhunderts die (dann „moderne“) Geisteswissenschaft dadurch gekennzeichnet sein wird, dass sie nicht mehr vom „Geist“ und seinen Derivaten spricht, ihn vielmehr in Komponenten zerlegt und damit zu einer Systematik von Informationen und ‚informationellen Prozessen entspiritualisiert‘ haben wird…“[17]

Dass dem erkenntniswidersprechenden instrumentellen theoretischen Verhalten bürgerlicher Wissenschaft der gesellschaftliche Untersuchungsgegenstand zum bloßen Mittel wird, er den Charakter von Natur erhält, dessen feststellbare Eigenschaften zu kennen, Voraussetzung für die Realisierung ihm äußerlicher Zwecke ist, ist auch der Grund dafür, dass diese Wissenschaft ihre eigene Tätigkeit nicht in ihrer Widersprüchlichkeit begreifen kann, sondern dass ihr Erkennen selbst zum Mittel wird. Wir wollen dies kurz im Hinblick auf bürgerliche Erkenntnistheorie – in Anknüpfung an die darüber schon getroffenen Aussagen – und am Beispiel der sogenannten „Vermittlungswissenschaften“, die sich explizit mit dem Funktionalmachen wissenschaftlicher Ergebnisse für eine gesellschaftliche Praxis beschäftigen, ausführen, um noch einmal klarzustellen, dass es solcher expliziten Formulierung praktischer Orientierung nicht bedarf, um bürgerliche Wissenschaft als instrumentell zu charakterisieren, vielmehr solche Formulierungen aus ihrem allgemeinen widersprüchlichen Charakter resultieren. Zugleich können wir darin – von bürgerlicher Wissenschaft unbegriffen – den Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit von ihr selbst ausgesprochen finden, ohne dass wir damit der Aufgabe enthoben wären, aus dem angeführten Mangel bürgerlicher Wissenschaft den Grund notwendig zu erschließen.

Bei ihren Reflexionen über Erkenntnis lässt sich bürgerliche Wissenschaft in gleicher Weise vom unmittelbar gegebenen Gegenstand leiten, wie wir dies als Mangel ihrer Tätigkeit überhaupt gekennzeichnet haben. So wird in bürgerlicher Wissenschaftstheorie positivistischer Couleur – wie am Beispiel Poppers ausgeführt – der Gegenstand Erkenntnis reduziert auf die empirisch feststellbaren zwei Seiten, ein erkennendes Subjekt und ein Erkenntnisgegenstand, und zwischen ihnen eine bloß äußerliche Beziehung hergestellt. Objektivität wird folgerichtig zum einen festgemacht an den logischen Formen der Urteile und Schlüsse und, da diese notwendig in sprachlichem Material sich vollziehen, das Ganze dann auch noch als Sprachproblem verkannt. Was subjektive Tätigkeit sein sollte, die einen Gegensatz aufhebt, ist somit zunächst einmal das Umgehen eines Subjekts mit den bestimmten sprachlichen Formen geworden, die die Wissenschaftlichkeit ausmachen sollen. Oder das Festhalten an den äußerlichen Momenten, daran, dass Erkennen, unmittelbar betrachtet, das Aussagen-Machen von Subjekten über Gegenstände mit dem Anspruch auf Objektivität ist, nimmt die Form an, dass die Objektivität in anderer Weise an den vorgefundenen wissenschaftlichen Subjekten festgemacht wird, als wahrheitskonstituierender Konsens. Freilich haftet solchen Theorien wiederum der offensichtliche Mangel an, dass in ihnen der Gegenstand im eigentlichen Sinne gar nicht mehr aufzutauchen braucht. Daher verlegt sich Wissenschaft – zieht sie sich nicht gleich auf die Relativität aller wissenschaftlichen Aussagen zurück – z. B. darauf, den als getrennt belassenen Gegenstand in seiner unmittelbaren Form zum Überprüfungskriterium der bloß subjektiv behaupteten Aussagen heranzuziehen. Damit wird Erkenntnis behauptet als bloße Vergleichung zwischen subjektiven Aussagen und einem vom Denken unberührten Gegenstand. Was wir als Instrumentalismus bezeichnet haben, wird von bürgerlicher Wissenschaft also deshalb als Erkennen missverstanden, weil sie sich nur an den äußeren „Eigenschaften“ des Untersuchungsgegenstands „Erkenntnis“ orientiert, den Aussagen des wissenschaftlichen Subjekts und dem unabhängig davon existierenden Gegenstand, weil sie also an den Gegenstand Erkenntnis wie an alle anderen instrumentell herangeht. Umgekehrt formuliert: Weil bürgerliche Wissenschaft bei dem Nachdenken über den Gegenstand Erkenntnis diesen als unmittelbaren belässt, fasst sie Erkenntnis als bloße Vergleichung, Vermittlung zwischen zwei getrennten Seiten auf. In anderer Form schlägt sich dieses Missverstehen in Piagets Theorie der Intelligenz nieder, indem er sie als Strukturierung einer chaotischen Welt mit Hilfe subjektiver Denkfähigkeit fasst, also als Mittel des Subjekts, seinen Sinn in eine äußerlich verbleibende Wirklichkeit quasi willkürlich hineinzulegen. In den sogenannten „Vermittlungswissenschaften“, die – wie Fachdidaktik, Curriculumstheorie, Pädagogik usw. – sich mit dem Problem der Vermittlung von Wissenschaft an die Individuen herumschlagen, wird Wissenschaft schon in der Fragestellung als Mittel einer vorgegebenen Praxis unterstellt und damit der eigene Instrumentalismus in allgemeiner Form zum Thema. Es wurde schon aufgezeigt, wie in allen Vermittlungswissenschaften der Ausgangspunkt, die „Verwissenschaftlichung der Praxis“, sich umkehrt in die Fragestellung, wie man eine getrennte Wissenschaft adäquater auf eine gesellschaftliche Praxis beziehen könne. Damit geht es solchen Theorien um die Rückreflexion wissenschaftlicher Ergebnisse auf ihre Anwendbarkeit. Zunächst ist auch bei diesen Wissenschaften das zu kritisieren, was den Umgang bürgerlicher Wissenschaft mit den gesellschaftlichen Gegenständen allgemein charakterisiert, die Unterwerfung unter den Untersuchungsgegenstand, der somit in ihren Aussagen den Charakter eines Naturgegenstands erhält, obgleich er als geistiger weiterhin behauptet wird. Folgerichtig können die Vermittlungswissenschaften nur dazu kommen, die Beziehung zwischen Wissenschaft und Praxis verbessern zu wollen, an Wissenschaft die Forderung der Anwendbarkeit, der Nützlichkeit explizit zu stellen. Solche Resultate ihrer Orientierung an der vorgegebenen Trennung von Wissenschaft und Praxis bleiben nun aber zugestandenermaßen sehr abstrakt, da beim Nachdenken darüber, was denn nun das bestimmende „Bildungsziel“, „Erkenntnisinteresse“ usw. sein sollen, das instrumentelle Denken entweder den wissenschaftlichen Ergebnissen, die alle gleichermaßen ihre Berechtigung behaupten, oder den gesellschaftlichen Ansprüchen, die miteinander konkurrieren, recht hilflos ausgeliefert ist. So werden meist auch entweder vorausgesetzte „Wertentscheidungen“ unterstellt oder die unmittelbar feststellbaren Phänomene gesammelt und recht und schlecht versucht, Gesichtspunkte als Resultat „wissenschaftlicher Analyse“ der Gesellschaft zu formulieren, aus denen solche Ziele zu bestimmen seien. All diese Theorien verkommen also dazu, das als getrennter Bereich „Wissenschaft“ empirisch aufgenommene theoretische Verhalten als Instrument für gesellschaftliche Praxis zu unterstellen und damit unmittelbar dem Kriterium der Nützlichkeit zu unterwerfen, die Praktikabilität von Theorien zu fordern. Dem Anspruch auf Anwendbarkeit, dem bürgerliche Wissenschaft als Resultat ihres Instrumentalismus zunehmend sich unterwirft, ist also zunächst einmal damit zu begegnen, dass mit ihm das Erkennen vorab destruiert wird, solchem Anspruch der von uns kritisierte fehlerhafte Umgang mit dem Erkenntnisgegenstand zugrunde liegt, nämlich der bewusst ausgesprochene Standpunkt der Zweckmäßigkeit. Zugleich bezeichnen die Vermittlungswissenschaften damit ihr eigenes Tun, von dem sie meinen, es sei Erkenntnistätigkeit. Sie sind nämlich dadurch gekennzeichnet, dass sie sich bewusst an „praktischen“ Problemen orientieren, „Lösungen“ erkunden wollen für bestimmte Probleme der Praxis – ja, aus spezifischen Mängeln der Praxis oft erst entstehen, zu deren Behebung eingesetzt werden –, die dann, so wie sie unmittelbar aufgenommen werden, die „Gesichtspunkte“ für die theoretische Untersuchung ausmachen. Beschäftigt sich z. B. die Fachdidaktik oder die Curriculumstheorie mit der Vermittlung von Wissenschaft und Gesellschaft, so verdoppelt sie aufgrund solcher Orientierung an praktischen Problemen den Fehler bürgerlicher Wissenschaft, indem sie an das, was selber schon instrumentelles theoretisches Verhalten ist, die Wissenschaft, noch einmal den Anspruch auf Anwendbarkeit stellt, d. h. die unmittelbare Bestimmtheit der Erkenntnis durch die vorgegebenen Probleme der Praxis fordert. Der Charakter allgemeiner Zweckmäßigkeit, wie er bürgerlicher Wissenschaft zukommt, wird hier also verdoppelt zu der Forderung nach Unterwerfung unter bestimmte Zwecke.

Ist Nützlichkeit, Anwendbarkeit als Leitfaden wissenschaftlicher Untersuchung, der vorab zum Prinzip erhobene Instrumentalismus der Ausgangspunkt und damit eine extreme Ausformung des von uns allgemein gefassten Fehlers der bürgerlichen Wissenschaft, so kritisiert sich damit auch die Forderung nach „parteilicher Wissenschaft“, wie sie der KSV bestehender Wissenschaft gegenüber stellt, selbst als grundfalsch und vulgärwissenschaftlich par excellence. Dem Standpunkt allgemeiner Zweckmäßigkeit setzt der KSV die Unterwerfung des Erkennens unter einen bestimmten Zweck, das Proletariat oder das Volk, entgegen und durchforstet daher alles, von den ökonomischen Phänomenen bis zu den abgeleiteten gesellschaftlichen Bereichen wie Kunst, Wissenschaft etc. unter dem unmittelbar herangetragenen Gesichtspunkt der „Klassen“, als seien diese, wenn man nur den richtigen Standpunkt einnimmt, überall auffindbar. Mit der Marxschen Klassenbestimmung hat dies dann ebenso wenig noch etwas gemein wie mit Begreifen der Wirklichkeit als kapitalistischer. Der Vorwurf des Dogmatismus, bürgerliche Wissenschaft solchem „Materialismus“ macht, enthält insofern ein rationales Moment, als er – vom Standpunkt des notwendig relativischen Instrumentalismus – die Unterwerfung aller „Wissenschaft“ unter einen bestimmten Zweck angreift. Bürgerliche Wissenschaften können dann auch gegen die „wissenschaftlichen Ergebnisse“ „materialistischer Wissenschaft“ unmittelbare „Seiten“ der gesellschaftlichen Gegenstände ins Feld führen und damit „marxistische Theorie“ als ein Moment im Wissenschaftspluralismus integrieren. Die Art und Weise, wie der KSV selbst gegen berechtigte Einwände an der Richtigkeit seines parteilichen Standpunkts festhält, verweist selbst noch einmal auf den Moralismus, in den solche „Wissenschaft im Dienste des Volkes“ notwendig abgleiten muss. Marx hat dagegen immer wieder darauf hingewiesen, dass nur die unvoreingenommene Erkenntnis der kapitalistischen Verhältnisse, die objektive wissenschaftliche Analyse, die Einsicht in die Notwendigkeit der Revolutionierung zum Resultat hat. So kritisiert er an der Vulgärökonomie die Unterwerfung des Erkennens unter äußerliche Zwecke, eine Kritik, die den KSV treffen muss:

„Einen Menschen aber, der die Wissenschaft einem nicht aus ihr selbst …, sondern von außen, ihr fremden, äußerlichen Interessen entlehnten Standpunkt zu akkomodieren sucht, nenne ich ‚gemein‘.“[18]

Und im Hinblick auf ein gut gemeintes, aber im hier kritisierten Sinne falsches Verständnis, spricht Engels die crux „materialistischer Wissenschaft“ à la KSV an:

„Marx würde gegen das ‚politische und gesellschaftliche Ideal‘ protestieren, das sie ihm unterstellen. Wenn schon von einem Mann der Wissenschaft, der ökonomischen Wissenschaft, die Rede ist, so darf man keine Ideale haben; man erarbeitet wissenschaftliche Ergebnisse, und wenn man darüber hinaus noch ein Mann der Partei ist, so kämpft man dafür, sie in die Praxis umzusetzen. Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, denn man hat eine vorgefasste Meinung.“[19]

5. Was die kritisierten Anwendungswissenschaften in ihrer Unterwerfung unter bestimmte praktische Zwecke und durch ihre unbegriffenen Hinweise auf das widersprüchliche Verhältnis von Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis ungewusst zu erkennen geben, ist die widersprüchliche gesellschaftliche Wirklichkeit selber, die sich für uns aus dem Widerspruch der bürgerlichen Wissenschaft als seine Voraussetzung ergibt. Denn deren widersprüchlicher Charakter ließ sich ja von uns so kennzeichnen, dass sie – obwohl Erkennen – zum Mittel ihr vorausgesetzter, unbestimmter Zwecke herabgesunken ist, eine Subjektivität voraussetzt, die nicht theoretischer Umgang mit Gegenständen ist und doch auf diesen wesentlich angewiesen sein soll. Es ist also eine zweckmäßige Tätigkeit, praktisches Handeln unterstellt, das freilich von Seiten der Wissenschaft zunächst nicht anders sich fassen lässt denn als unterstellte Möglichkeit jedes beliebigen Zwecks.

Zugleich soll aber die Wissenschaft als Erkennen überhaupt erst die Bestimmungen des Handelns ergeben; sie nimmt also den Zwecken gegenüber zugleich die Stellung des Erkennens ein, aus dem sich praktisches Handeln konstituieren soll; ihre Aussagen gelten als Wissen, auf dessen Grundlage man praktisch mit den Gegenständen umgehen kann. Dies Doppelte drücken die Anwendungswissenschaften aus, wenn ihnen die „Verwissenschaftlichung“ der Praxis verkommt zur instrumentellen Unterwerfung der Wissenschaft unter praktische Anforderungen. Die von uns kritisierten Vermittlungswissenschaften verdanken ihre Entstehung denn ja auch einem Mangel des Verhältnisses von Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis als ihr vorausgesetzter, in der sich die Unterwerfung unter die Praxis ausdrückt. Denn das instrumentelle Verhältnis der Wissenschaft heißt ja nun – nehmen wir hinzu, dass sie sich unbegriffen den in ihren Untersuchungsgegenständen objektivierten Zwecken unterwirft –, dass sie getrennt von den objektiven Bedingungen ihrer Tätigkeit existiert, zugleich aber den in der gesellschaftlichen Realität angelegten Zwecken unterworfen ist. Als diese Wissenschaft kennt sie einerseits gesellschaftliche Praxis im doppelten Sinne nur als ihr äußerliche – als unbegriffener Gegenstand und als praktisches Handeln, das sich aus Zwecken speist, deren Festlegung sich die Wissenschaft mit dem Hinweis auf die „Werturteilsfreiheit“ bzw. durch vorweg eingenommene Standpunkte entzieht –, was ihr Anlass gibt, die eigene Autonomie zu betonen. Andererseits regt sich aber das Bewusstsein, solche Freiheit habe ihre Schranke an der Praxis als dem ganz Anderen. Anwendungswissenschaften haben sich da das weite Feld der Anforderungen der Praxis an Wissenschaft eröffnet, ohne doch die grundsätzliche Getrenntheit von dieser aufheben zu können, da sie ja auf ihrer Voraussetzung überhaupt beruhen.

Damit ist also, als Resultat des Instrumentalismus, eine eigenartige Verkehrung impliziert; denn dass das Erkennen das Bestimmende der Praxis sein soll, stellt sich hier nur noch als nachträgliche Beziehung des getrennten Wissens auf die Praxis dar. Was aber als Mittelcharakter der Wissenschaft ausgewiesen wurde, kann sich – so zeigt sich hier – niederschlagen als „Freiheit“ und zugleich Ohnmacht der Wissenschaft gegenüber einer getrennten Praxis. Für die gesellschaftliche Praxis ist das Verhältnis zur Wissenschaft damit schon gefasst: Sie bezieht sich auf Wissenschaft als von ihr abgetrennte. Auf deren Erkenntnisse ist sie dabei notwendig angewiesen, kann diese aber wieder nur als ihr äußeres Mittel begreifen. Dieses Verhältnis, das aus der Wissenschaft selber aufgezeigt werden konnte, erlaubt überhaupt erst eine Form von Wissenschaft, die – getrennt von der Gesellschaft – aber für deren Zwecke als ein allgemeines Mittel existiert, auf dessen immanente instrumentelle Vernunft die Gesellschaft verwiesen ist. Diese Form hat Wissenschaft als staatliche Institution. (Siehe dazu Staatsbroschüre §5 Ideeller Gesamtkapitalist, Sozialstaat.)

Die Unterwerfung unter eine ihr äußerliche Praxis lässt sich für bürgerliche Wissenschaft aber ebenso – wir haben dies im Punkt 4 gezeigt – von ihrer Stellung zum gesellschaftlichen Untersuchungsgegenstand ableiten. Die bürgerliche Geisteswissenschaft lässt sich von ihren unmittelbar vorgefundenen Gegenständen die Bedingungen ihrer Tätigkeit vorschreiben. Anstatt als wahre, in der Realität ihre Objektivität besitzende Subjektivität zu erscheinen, kommt bürgerliche Geisteswissenschaft nur dazu, als ihre subjektiven Bestimmungen äußerlich an die Untersuchungsgegenstände heranzutragen, was die Objektivität dieser schon durch die Gesellschaft vermittelten Gegenstände ihr aufgedrängt hat. Die Erkenntnistätigkeit bleibt so ihren Gegenständen unmittelbar verbunden, bleibt gleichsam „in sie versenkt“. Darin gibt sie zu erkennen, dass sie selbst zum Mittel ihrer eigenen Voraussetzung herabgesunken ist. Bürgerliche Wissenschaft macht sich also zum Werkzeug von Zwecken, die in den von ihr untersuchten Gegenständen unterstellt sind, wobei sie sich den Untersuchungsgegenständen so anpasst, als wären sie ein unvergängliches und deshalb hinzunehmendes Material. Die so verfahrende Wissenschaft demonstriert einerseits, indem sie die Gegenstände noch als gesellschaftliche weiß, dass die von ihr betrachteten Gegenstände bereits Produkte gesellschaftlicher Vermittlung sind, andererseits zeigt sie aber durch ihren instrumentellen Charakter an sich selber, dass diese Produziertheit sich verkehrt hat in ein unmittelbares Bestimmtsein der wissenschaftlichen Subjektivität durch diese Produkte. Der widersprüchliche Charakter bürgerlicher Geisteswissenschaften fällt somit nach zwei Seiten mit ihrer falschen Stellung zur gesellschaftlichen Praxis zusammen. Wird diese Wissenschaft mit ihrem unmittelbaren, aber doch wirklichen Wissen Grundlage für einen außerhalb von ihr in der Gesellschaft vollzogenen praktischen Umgang mit den Gegenständen – und dies ist ja, wie wir ausgeführt haben, impliziert, wenn sie sich vorgegebenen Zwecken unterwirft und sich zugleich als deren Bestimmendes behauptet – so verweist dies auf einen Widerspruch in dieser Praxis selber.

Die gesellschaftlichen Individuen sind im Umgang mit Gegenständen und Verhältnissen, die sie selber hervorgebracht haben, auf ein Wissen verwiesen, das durch diese Verhältnisse seinerseits bestimmt ist und darum von den Individuen zur Verwirklichung ihrer Zwecke die Unterwerfung unter die Eigengesetzlichkeit der Mittel fordert, die als unabdingbar verstanden wird. Die praktische Tätigkeit der Individuen erweist sich somit – aus dem Fehler der Wissenschaft notwendig erschlossen – selber als instrumentell. Die wissenschaftliche Tätigkeit aber – so können wir rückblickend sagen – ist Antizipation dieses praktischen Verhaltens. Die Individuen können ihr Handeln nicht als von ihnen bestimmtes wissen. Ihr Bewusstsein wird vielmehr von unbegriffenen Resultaten ihrer eigenen Tätigkeit bestimmt.[20]

Die zwei Seiten, zwischen denen bürgerliche Geisteswissenschaft instrumentell vermittelt, können somit zusammen als unbegriffene Beziehung der gesellschaftlichen Individuen auf ihre eigenen Produkte – vermittelt über die selber widersprüchliche Stellung dieser Individuen zur falschen Wissenschaft – verstanden werden. Aus der Wissenschaft lässt sich also nicht nur erschließen, dass die Individuen mit der Erkenntnis, die ihr Handeln bestimmen soll, als bloßem Mittel umgehen, dass also die Gesellschaft auf Erkenntnis beruht und zugleich diese von der gesellschaftlichen Tätigkeit der Individuen abtrennt, um sie dieser zu unterwerfen, sondern auch, dass damit die praktische Tätigkeit den Charakter der Verfolgung subjektiver Zwecke annimmt, denen alle vergegenständlichten Formen der Gesellschaft als Mittel dienen, als gegebene Voraussetzungen. Dass die gesellschaftliche Praxis selbstbewusstes Handeln von Menschen geworden ist, kommt darin ebenso zum Vorschein wie das Gegenteil, dass sie es (noch) nicht ist. Die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Identität der Individuen liegt – sie sind ihre eigenen Produkte –, bestimmen ihr Handeln zugleich in einer Weise, als wären sie gleich der Natur eine unveränderliche Realität, nach der es sich zu richten gilt. Damit erhalten die Handlungen der Subjekte den Charakter der Realisierung partikularer Zwecke, die aber durch die Orientierung an den „gesellschaftlichen Bedingungen“ gerade unbegriffen das durchsetzen, was in diesen Resultaten gesellschaftlicher Praxis als Zweck unterstellt ist.[21] Denn in solchem Verhältnis reproduziert sich nur das, was die gesellschaftliche Wirklichkeit den Subjekten aufdrängt. Indem die subjektiven Zwecke dem Gegebenen unmittelbar verhaftet bleiben, mit dem als natürlich Bestehenden umgehen, was als gesellschaftliche Wirklichkeit wesentlich dadurch bestimmt ist, dass es sich durch ihr Handeln konstituiert, setzt sich durch die Verfolgung ihrer subjektiven Zwecke ein allgemeiner Zweck durch, der außerhalb der selbstbewussten Tätigkeit aller liegt und doch deren Resultat, damit Bestimmung ihres Handelns ist. Die Reproduktion der Subjekte, die sich in ihren praktischen Handlungen vollzieht, hat somit die Form der Verfolgung partikularer Zwecke, die sich der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse als Mittel bedient: Es ist die Oberflächenbewegung der bürgerlichen Gesellschaft, die kapitalistische Konkurrenz. Die Privatsubjekte müssen, da ihnen der gesellschaftliche Zusammenhang als vorausgesetzter, in sachlicher Form gegenübersteht, um einen möglichst großen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum konkurrieren, der allein ihnen die Ausführung ihrer Zwecke ermöglicht.[22]

Sie müssen daher zu ihren eigenen gesellschaftlichen Resultaten den Standpunkt bloßer Möglichkeiten einnehmen und demgemäß mit ihnen umgehen, diese damit stets aufs Neue hervorbringen.[23] Dieser Zwang impliziert, dass sich die einzelnen nicht erkennend zur Wirklichkeit verhalten, aus ihrem wissenschaftlich erfassten Charakter Schlüsse für ihr Handeln ziehen. Er verlangt ihnen gerade jenen Instrumentalismus ab, den wir aus der Wissenschaft erschlossen haben. Diese existiert als abgetrennte Sphäre, deren Ergebnisse allgemein nutzbar zu machen sind, und hat als Geistes- und Gesellschaftswissenschaft den instrumentellen Standpunkt immer schon in ihren immanenten Erkenntnisprozess aufgenommen. Dass die Individuen in ihrem praktischen Verhalten instrumentell mit den Resultaten ihrer Praxis umgehen, damit einen allgemeinen Zweck immer aufs Neue realisieren, der außerhalb ihres Bewusstseins existiert und doch ihr bewusstes Handeln in anderer Form bestimmt, konnten wir also aus der Kritik der Wissenschaft folgern, die uns zur Widersprüchlichkeit der existierenden Gesellschaft fortgeführt hat. Dass der im praktischen Handeln konkurrierender Privatsubjekte sich reproduzierende allgemeine Zweck die Verwertung des Kapitals ist, hat Marx in seiner Analyse der kapitalistischen Gesellschaft aufgedeckt. Wirkliche Wissenschaft, wie sie Marx betrieben hat, führt also zur Erkenntnis des Widerspruchs dieser Gesellschaft, die einerseits zeigt, dass sie auf Erkenntnis beruht und diese die Handlungen bestimmt und dies doch nur formell tut, indem sie nämlich, zum bloßen Mittel gesellschaftlicher Zwecke herabgesetzt, selber immanent instrumentell verfährt.

Wirkliche Wissenschaft – weit entfernt davon, für die instrumentelle Praxis der konkurrierenden Individuen tauglich zu sein – verweist auf den transitorischen Charakter der bürgerlichen Gesellschaft, stellt sich notwendig in Widerspruch zu ihr, ist ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär, nicht weil sie sich an vorausgesetzten „revolutionären Forderungen“ orientiert, sondern weil sie die gesellschaftlichen Widersprüche erkennt und daher, statt Rezepte für ein Handeln zu liefern, das die bürgerliche Gesellschaft verfestigt, weil voraussetzt, die Notwendigkeit einer revolutionären Praxis begründet, die als Resultat des Begreifens kapitalistischer Widersprüche die in diesen selbst angelegte Forderung ihrer Überwindung realisiert. Marx hat durch die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise begründet, dass das Subjekt dieser revolutionären Praxis das Proletariat ist.

  1. Marx, Das Kapital, Bd. III, S. 825. Auf ein häufiges Missverständnis über den Charakter solcher Marx-Aussagen sei hier hingewiesen. Keineswegs bezeichnet Marx damit ein Spezifikum bürgerlicher Wissenschaft oder gar eine besondere Schwierigkeit bei der Analyse kapitalistischer Verhältnisse. Diese zeichnen sich nicht durch den Unterschied von Wesen und Erscheinung aus, sondern durch die Verkehrung. Die beißende Kritik der Vulgärwissenschaft durch Marx zielt gerade darauf, dass bürgerliche Wissenschaft die Selbstverständlichkeit, die allem Erkennen zugrunde liegt, die Überwindung der Ebene der bloßen Erscheinung, pervertiert hat und damit nur noch die vulgären Vorstellungen reproduziert.
  2. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Bd. 7, WW Bd. 8, §23
  3. Popper, Die Logik der Sozialwissenschaften. In: Th. W. Adorno u.a., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, S. 104
  4. a.a.O., S. 106
  5. a.a.O., S. 106
  6. Hegel, WW 2, S. 221
  7. Hegel, WW 6, S. 491
  8. Popper, a.a.O., S. 117
  9. Hegel, WW 2, S. 262
  10. Wir werden in Punkt 3 und 4 diese unmittelbare Unterwerfung unter vorgegebene praktische Ansprüche als spezifisches Merkmal bürgerlicher „Vulgärwissenschaft“ wieder aufnehmen, da bürgerliche Wissenschaft den ihr immanenten Instrumentalismus hier benennt und ausdrücklich praktiziert.
  11. Die Manie bürgerlicher Geisteswissenschaften, geistige Gegenstände unterschiedslos als „Kommunikation“ erklären zu wollen, handle es sich nun um Sprache, Wissenschaft, Gesellschaft, Recht oder anderes, werden wir weiter unten noch einmal streifen. Vgl. dazu die Kritik von Sack, Baumgartner, Müller-Seidel und Habermas in den entsprechenden Referaten. Als ausführliche Kritik des Kommunikationsfetischs und für genauere Kritik moderner Kommunikationsforschung, die in nahezu allen Geisteswissenschaften als „progressivste“ Variante gilt, empfehlen wir: Karl Held, Kommunikationsforschung – Wissenschaft oder Ideologie? München 1973, Hanser.
  12. Vgl. zu solcher Art „Wissenschaftskritik“ das weiter unten zum Fehler materialistischer Wissenschaft à la KSV Ausgeführte. Dass bürgerliche Wissenschaft selbst implizit oder explizit Erkenntnis als bloßes Mittel definiert, werden wir ebenfalls unten aus dem widersprüchlichen Umgang bürgerlicher Geisteswissenschaft mit ihren Untersuchungsgegenständen, in diesem Fall eben Erkenntnis, erklären.
  13. Es sei hier vorgreifend angemerkt, dass die Marxschen Aussagen im Warenfetischabschnitt und andernorts, die das Missverständnis nahelegen, er gebe als Grund des Scheiterns bürgerlicher Wissenschaft ihren Gegenstand an und mache damit Erkenntnis vom Charakter des Gegenstands abhängig, sich dahingehend auflösen, dass in solchen Aussagen Gesellschaft als Untersuchungsgegenstand angesprochen ist. Nicht als Gegenstand der Erkenntnis pervertiert sie das Erkennen, sondern als gesellschaftliche Praxis, die den gesellschaftlichen Individuen eine falsche Stellung zu den von ihnen selbst produzierten Verhältnissen aufnötigt. Also die gesellschaftliche Bestimmtheit der Erkenntnistätigkeit selbst ist der Grund ihres Mangels. Vgl. dazu Punkt 5. und 6.
  14. Hegel, Logik II, WW 6, S. 513f
  15. Wir werden später noch kurz andeuten, wie die Aussagen bürgerlicher Wissenschaft über das Erkennen aus der instrumentellen Orientierung am unmittelbar vorgefundenen Gegenstand resultieren.
  16. Vgl. exemplarisch Habermas, Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik
  17. v. Cube, Kybernetik, S. 287
  18. Marx, Theorien über den Mehrwert, Bd. 2, MEW 26.2, S. 112
  19. Brief Engels an Paul Lafargue vom 11.8.1884
  20. Dieses Resultat ist identisch mit dem, was Marx im Warenfetisch über die Stellung der warentauschenden Individuen sagt. Während wir aus der Analyse der Widersprüchlichkeit bürgerlicher Wissenschaft auf die …
  21. Vgl. Kapital I, MEW 23, S. 89, Fußnote 28: „Es ist eben ein Naturgesetz, das auf der Bewusstlosigkeit der Beteiligten beruht.“ (Hervorhebungen von uns). Der „historische Materialismus“ in all seinen vulgärmarxistischen Varianten affirmiert eben mit der Voraussetzung einer „naturgesetzlichen Bestimmtheit“ aller Geschichte gerade das, was es mit Marx zu kritisieren gilt als Ausdruck der Vorläufigkeit aller bisherigen Geschichte, der noch unvollendeten Emanzipation einer Gesellschaft, die sich zwar von allen Naturschranken gelöst hat, aber sich ihren eigenen gesellschaftlichen Produkten unterwirft, statt sie selbstbewusst zu bestimmen.
  22. Diese Stellung zu den ökonomischen Gegenständen macht denn auch den Fehler bürgerlicher Ökonomie aus. Vgl. unsere Kritik der BWL und VWL. Marx hat dazu – ausführlich in den Theorien über den Mehrwert, ferner jeweils an zentralen Stellen im Kapital – alles Wesentliche gesagt.
  23. Kapital, Nachwort zur 2. Auflage, MEW 23, S. 28