Jours fixes – Protokolle aus München (2020 - 2021)
Nachlesen kann man hier die Protokolle der Jours fixes aus München ab 2022. Sie dienen dem intensiven Nachvollzug der auf der jeweiligen Tagesordnung gesetzten Thematik. Sie sind chronologisch geordnet und, so ein Thema über mehrere Termine angelegt und/oder weil Gesprächsbedarf vorhanden war, zu einer Datei zusammengefasst worden.
GS 1-2020
USA versus Iran
Schon in der Zeit seines ersten Wahlkampfes sagt Donald Trump aller Welt an, dass er die US-amerikanische Iranpolitik radikal korrigieren wird; auch dieser Ansage lässt er als Präsident die entsprechenden Taten folgen. Die geben auch über den speziellen Fall hinaus Auskunft über die Art von Auseinandersetzungen mit Staaten, die Trump als Gegner identifiziert. Seine Linie besteht nach Kündigung des von ihm heftig kritisierten Atomabkommens JCPOA in „maximum pressure“: Sanktionen, von denen Trump selbst stolz verkündet, dass sie von nie dagewesenem Umfang und bis dato unübertroffener Härte seien. Wenn er zur Jahresmitte 2019 in Bezug auf den dadurch bewirkten Zustand von Irans Wirtschaft die Zwischenbilanz „absolutely broken“ verkündet, gibt das beredt Auskunft Über den Zweck der Sanktionen. Es geht darum, die materielle Substanz der iranischen Souveränität, insofern diese selbst, zu brechen. Was Trumps Amerika gegenüber Iran durch- und vorführt, besteht darin, die ökonomische Erpressungsmacht Amerikas so weit auszureizen, dass sie als Kriegsersatz wirkt.

GS 3-2020
Schule der Konkurrenz
Zahllose Bildungs- und Lehrplanreformen hin, PISA-Testate und Schulevaluierungen her, so richtig zufrieden ist die ‚Wissensgesellschaft‘ mit ihrem hochgeschätzten Schulwesen darüber nicht geworden – im Gegenteil. Die Schule ist, gerade weil man den von ihr eröffneten „Bildungschancen“ enorme Wichtigkeit zuschreibt, permanent Gegenstand von Klagen über und enttäuschten Erwartungen an sie.

Die etablierte rassistische Sittlichkeit, die in polizeiliche und private Brutalität ausartet, hat ihren Ausgangspunkt und ihren Antrieb weder in einer biologischen Rassentheorie noch im moralischen Unvermögen, den Wert schwarzen Lebens zu erkennen, sondern in der politischen Moral, die Trump auf so ehrlich ergriffene Art zelebriert: in der Liebe zur amerikanischen Ordnung, zu der freien und gleichen Konkurrenzgesellschaft, die sie ordnet, und zum Volk, das diese Ordnung als seinen ‚way of life‘ lebt und liebt.
GS 4-2020
Die Krise in Weißrussland und der Fall Nawalny
In der deutschen Politik zirkuliert die Auffassung, dass eine Revision der bisherigen Russlandpolitik ansteht. Die Rede ist von einem „Wendepunkt“, einem „Strategiewechsel“, einer Verabschiedung von „verklärter Romantik und der Hoffnung, Wandel durch Handel zu erzeugen“. Als Gründe dafür werden die Zusammenstöße in Weißrussland und die Vergiftung Alexei Nawalnys angeführt, berufen wird sich zudem auf eine lange Liste aus dem Vorrat älterer Vorwürfe. Zur Klärung der Frage, warum und wie das alles in einem großen Zusammenhang miteinander und im Weiteren auch mit Amerika und einer Pipeline in der Ostsee steht, empfiehlt sich eine nähere Besichtigung der beiden aktuellen Fälle. Die sollen ja schließlich als Beweismittel für den deutschen Standpunkt taugen, dass es mit Putins Russland auf dem gemeinsamen Kontinent kaum mehr auszuhalten ist.

GS 4-2020
Beruf Polizist
Die Polizei kommt nicht mehr so recht raus aus den Schlagzeilen: Seit dem Tod von George Floyd wacht die hiesige Öffentlichkeit besonders kritisch darüber, ob es nicht auch die eigene Polizei in Sachen Gewalteinsatz gelegentlich übertreibt oder sich rassistischer Diskriminierung schuldig macht. Daneben sorgen rechtsradikale Inhalte in polizeiinternen Chat-Foren bzw. eine offenbar recht verbreitete Vorliebe für Nazi-Devotionalien regelmäßig für den Verdacht, dass die bewaffneten Staatsbediensteten es an der rechten demokratischen Gesinnung fehlen lassen, und mit der Rückverfolgung von Morddrohungen des NSU 2.0 an auserwählte linke Hassfiguren bis zu einem Dienstcomputer der hessischen Polizei schließlich sogar für einen handfesten Skandal.
GS 4-2020
Amerika im Wahljahr 2020
„Ich wähle den Präsidenten, unter dem ich mehr Geld verdiene.“ (Ein namensloser hard-working Amerikaner im deutschen Fernsehen)
Das ist schon sehr nahe an der wahren Seele Amerikas: am falschen Materialismus kapitalistischer Konkurrenz, in der das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sich nicht übertreffen lässt. Aber was die zweite Welle des Wahlkampfes des Donald Trump – nach 2016 – um America first!
betrifft, ist das noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Im offiziell losgetretenen ‚clash of cultures‘ zwischen populistischen Lügen und demokratischer Heuchelei geht es um nichts Geringeres als die Moral der Nation – also den Gehorsam des Volkes, auf dem im Land der Freien die Weltmacht der Staatsgewalt beruht.
GS 1-2021
Deutschland im Winter-Lockdown – eine Zwischenbilanz
Mit der permanenten Bedrohung durch das Coronavirus verfährt die Obrigkeit hierzulande, wie es sich für ein christlich-abendländisches Gemeinwesen gehört: Im Mittelpunkt ihrer Pandemiebekämpfung steht das Individuum und gibt dem Staat Anlass zur Frage, wo und wie es sich ansteckt, und wie sich genau das effektiv verhindern lässt. Die sich daraus ergebende seuchenpolitische Losung – Kontaktverhinderung – wirft unmittelbar das Problem auf, wie sich unter dieser Bedingung die fortbestehenden unabweisbaren Notwendigkeiten einer funktionalen individuellen Lebensführung aufrechterhalten und sicherstellen lassen und wie sich die als alternativlos erachteten Restriktionen des bürgerlichen Lebens mit der Freiheitsgarantie der Verfassung vereinbaren lassen. An beidem arbeitet sich die Politik im Lockdown unentwegt ab und produziert damit einige interessante Klarstellungen über den Charakter des Gemeinwesens.

GS 1-2021
„Anti“- gegen „Rassisten“ – Der unrassistische Klassenstaat und seine verfeindeten Moralisten
Rassismus im Sinne einer Rechtslage, mit der die Staatsgewalt die Diskriminierung von Teilen der Bevölkerung bis hin zu ihrer Eliminierung verordnet oder erlaubt, gibt es im modernen bürgerlichen Gemeinwesen nicht mehr. Weder im Sinn eines kolonialen Vorrechts, das die Herrschaft über unmündige Völker legitimiert noch im Sinn der Nürnberger Gesetze, die von der Zugehörigkeit zu einer arischen Herrenrasse, die ein Recht auf Weltherrschaft hat, die Staatsbürgerschaft abhängig machen, noch im Sinn eines Rechts auf Eigentum an Menschen, das Sklaverei als Bestandteil der politischen Ökonomie festschreibt. – Was gibt es dann?
GS 1-2021
„Klimaschutzprogramm 2030“, Klimaschutzgesetz, nationale Wasserstoffstrategie … Deutschlands Energieimperialismus wird klimaneutral
Die deutsche Klimaschutzpolitik, d.h. die Minderung der klimaschädlichen CO2-Emissionen, des Verbrennungsgases fossiler Energiebewirtschaftung, am Standort D ist deckungsgleich mit dem Programm einer neuen nationalen Energie- und Rohstoffversorgung, das Deutschland unabhängiger machen soll von der Nutzung überwiegend auswärtiger fossiler Rohstoffe. Mit seinem „Klimaschutzprogramm 2030“ setzt Deutschland die bisherige Energiewende mit ihren beiden Säulen „Steigerung der Energieeffizienz“ und „Aufbau der erneuerbaren Energien“ aber nicht einfach nur fort, sondern verfolgt eine radikale Energiesystemwende, die laut Auskunft des Klimakabinetts endlich mit der Mobilitäts-, Wärme-, und vor allem mit einer „wirklichen“ Industriewende „Ernst“ machen soll. Gemessen daran nimmt sich der bisherige Fortschritt – 46 % des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen 2019 – als ungenügend, als bloße „Stromwende“ aus: Die neue Energiebewirtschaftung soll zur umfassenden „Dekarbonisierung“, einer weitestgehenden Loslösung des Standorts von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle führen. Das Ziel lautet: CO2-neutrales Wachstum bis 2050.
GS 1-2021
Der Fall Wirecard – Über die vielfältigen Möglichkeiten, am Geldverdienen Geld zu verdienen
Der tiefe Fall des deutschen IT-Finanzdienstleisters Wirecard war im vergangenen Jahr Gegenstand vielfältiger öffentlicher Ermittlungstätigkeit und Ursachenforschung. Im Zuge dieser wurde so manches Detail über die Geschäftspraktiken der Firma und überhaupt über die Gepflogenheiten der Abteilung Wirtschaft, in der Wirecard in den letzten Jahren zu den Champions aufgestiegen war, ans Licht gebracht und auch für den Laien liebevoll erläutert. Leider hat der dabei vorherrschende Tonfall der Skandalisierung und Kriminalisierung die gebührende Würdigung der Hauptsache verhindert, obwohl die bei alledem eigentlich nicht zu übersehen war und ist. Auch der ‚Fall Wirecard‘ hat nämlich wieder einmal bewiesen, wie unschlagbar effektiv der Kapitalismus für viele und immer mehr Gelegenheiten sorgt, den Zweck zu verfolgen, nach dem er benannt ist, und wie vorbildlich und erfolgreich Wirecard und alle anderen an seinem Aufstieg, Abstieg und Ruin Beteiligten in diesem Sinne am Werk waren.
GS 2-2021
Europas shithole country Libyen feiert seinen Zehnten – unter reger internationaler Beteiligung
Wenn das Thema Libyen in der deutschen Öffentlichkeit zum Gegenstand von Meldungen, Kommentaren, Hintergrundexpertisen wird, dann gibt es in aller Regel nichts Erfreuliches zu berichten: Seit nunmehr zehn Jahren tobt, auf- und abflauend, ein Krieg mit unübersichtlich vielen inneren Beteiligten und einer Reihe von auswärtigen – wie vermeldet wird, nicht nur befugten – Unterstützermächten. Letztere halten mit Geld und Waffen nicht nur den Krieg am Laufen, sondern veranstalten in größeren Abständen Konferenzen an unterschiedlichen Orten, verkünden im Anschluss ihren festen Willen, den Krieg zu beenden, von dem sie so auch offiziell zu Protokoll geben, dass es ihrer ist, und berufen sich dabei allesamt auf hohe, wenn auch teilweise unterschiedliche weltpolitische Prinzipien und Regeln.

GS 3-2021
Noch ’ne Lehre aus dem Wahlkampf Sachthema: Klimawandel
Es gibt sie noch, auch wenn man es ihnen nicht leicht macht: Wähler, die sich für Sachthemen interessieren. Gerade in diesem Wahljahr haben sie dazu allen Grund. Was für den interessierten Wähler dabei herauskommt, ist eine kleine Lektion über die unsachliche Logik des sachlichen Diskurses zwischen oben und unten in der Demokratie.

GS 3-2021
Bitcoin – „freies Geld“ für freie Bürger
Eine falsche Kritik am Geld des Staates wird im Internet praktisch, erfindet sich ihr eigenes Geld und macht Karriere als Spekulationsobjekt
Irgendein japanischer John Doe hatte mal eine Kritik am Geld. Nicht die, dass man als Ottonormalmensch immerzu zu wenig davon hat und lang und mühsam für es arbeiten muss, um es sich zu verdienen. Dass es mit seinen Kursschwankungen für den privaten Zahlungsverkehr nicht verlässlich funktioniert, ja ‚uns allen‘, die wir mit dem Geld zahlen und tauschen wollen, gar nicht richtig gehört, weil lauter Instanzen von der Zentralbank bis zum Spekulanten eingemischt sind und es missbrauchen – so lautete seine Kritik, und die Lösung war ganz einfach: Er erfindet im Internet an den verteufelten Instanzen vorbei ein freies Geld für freie Bürger und tauft es auf den Namen Bitcoin. Wenige Jahre später erklären einem die Börsenprofis aus Funk und Fernsehen, was für ein spannendes Anlageobjekt der Bitcoin mit seinen Kurssprüngen doch ist, von dem man als Ottonormalmensch allerdings besser die Finger lassen sollte. Wer hingegen genug Geld übrig hat, auf das er zum Bezahlen gerade nicht angewiesen ist, kann mit der Spekulation auf dieses seltsame Etwas, das der Finanzkritiker da in die Welt gesetzt hat, mit etwas Glück stinkreich werden. Offenbar ist das Geld doch für etwas anderes da, als die Kritiker des Staatsgeldes meinen. Die Karriere des Bitcoin von der digitalen Ausgeburt einer falschen Kritik am Geld des Staates hin zum Spekulationsobjekt erklärt unser Artikel.
GS 3-2021
Ukraine
Im Winter dieses Jahres beginnt die Ukraine mit umfassenden Kriegsvorbereitungen. Der ukrainische Armeechef Ruslan Chomtschak erklärt, „auf dem Ausbildungsprogramm der gesamten ukrainischen Armee stünden in diesem Frühjahr Straßen- und Häuserkämpfe in städtischer Umgebung“. Verletzungen der Waffenstillstandsabkommen an der Demarkationslinie finden ohnehin regelmäßig statt, dazu kommt laut einer Meldung der OSZE die zunehmende Vorverlegung schwerer Waffen, die gemäß einer Einigung im Minsk-Format zurückverlegt worden waren. Gleichzeitig „verbreitet die ukrainische Seite offenbar gezielt Indiskretionen, die auch auf die Option eines größer angelegten militärischen Angriffs auf die ‚Volksrepubliken‘ verweisen.
Joe Biden führt neue Sitten auf dem Gebiet der Völkerverständigung ein: Erst tituliert er den Chef der russischen Föderation als „Killer“, was vor dem Hintergrund der Feindbildorgien der Öffentlichkeit zwar nicht weiter aus dem Rahmen zu fallen scheint, im Umgang unter Staatschefs, die sich gerade nicht im Krieg befinden, allerdings doch etwas ungewöhnlich ist. Der Bruch mit den diplomatischen Benimmregeln für den Umgang unter Staatsoberhäuptern markiert schon mal die Tonlage, an der die Welt seine erfrischend ehrliche Führungsstärke wahrnehmen soll. Dann unterbreitet der amerikanische Präsident seinem russischen Kollegen den Vorschlag eines Gipfeltreffens, aber nicht ohne unmittelbar nach dem Unterbreiten dieses Angebots für das rechte Verständnis zu sorgen, indem er eine Serie von Sanktionen der härteren Art gegen Russland in Kraft setzt und weitere in Aussicht stellt.
Beinahe wäre auch noch das letzte verbliebene Rüstungskontrollabkommen zwischen den beiden großen Atommächten USA und Russland ausgelaufen. Beinahe wären „die Atom-Arsenale der beiden einstigen Supermächte erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten keinerlei Grenzen mehr“ unterlegen, und die Welt wäre „ohne jede Atomwaffenkontrolle“ dagestanden.
GS 3-2021
Das Grundgesetz – die Satzung des Staates, Teil 1 + 2
Das deutsche Grundgesetz ist eine super Sache, da sind sich alle politischen Lager von queer bis quer einig, wenn sie sich für ihre Anliegen auf es berufen. Dem tut es keinen Abbruch, dass die Allermeisten sich auf Nachfrage hart damit tun würden, mehr über den Inhalt seiner 146 Artikel kundzutun als ausgewählte Kalauer an Grundrechten aus den ersten paar Seiten. Die restlichen 130 Artikel spielen für den guten Ruf des Grundgesetzes offenbar keine Rolle. Kein Wunder, denn spätestens dieser große Rest beweist das glatte Gegenteil dessen, wovon das Lob dieses Schriftstückes lebt: Die Satzung des Staates präsentiert die bis ins Kleinste geregelten Organisationsfragen einer politischen Monopolgewalt, die sich außerdem die Lüge schuldig ist, die das Grundgesetz in seinen ersten Artikeln elaboriert und die ihm seinen unverdienten Ruf einträgt: Das Volk höchstselbst habe sich hier eine Verfassung gegeben und den Staat als Diener am Volkswillen über sich installiert. Dass die Wahrheit eher umgekehrt aussieht, erklärt unser Artikel anhand eines Durchgangs durch die heilige deutsche Schrift.
GS 4-2021
„Build Back Better“: Der Kampf um die Seele Amerikas geht weiter. Die Supermacht ringt mit sich um ihre weltweite Suprematie.
Was haben das in den USA unter dem Titel „Build Back Better“ verkündete gigantischste ökonomische Aufrüstungsprogramm aller Zeiten und der immer heftiger werdende inneramerikanische Kulturkampf um Fragen wie Abtreibung oder Rassen- und Rassismustheorien miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts, aber für die Weltmacht, ihre Führung und ihr Volk offenbar sehr viel. In unserem Artikel zum Thema ist nachzulesen, woran die USA tatsächlich leiden und warum ihre Führer so zielstrebig darauf kommen, dass sie sich um die „Seele Amerikas“ zu kümmern haben.
