Das populäre Angebot der Psychologie besteht darin, Leuten, die in Schwierigkeiten sind, zu helfen, indem sie beim Umgang mit sich selbst beraten werden. Ob nun jemand das Studium nicht schafft, keinen Job findet, von dem oder der Liebsten verlassen wurde oder sich vor Spinnen fürchtet: Ein Psychologe betrachtet all diese Vorkommnisse als Gegebenheiten, die seine Klientel bewältigen kann – ganz unabhängig davon, ob die Leute sich ihr Problem selber eingebrockt haben oder nicht.
Ob nun einer Opfer eines entgegengesetzten oder gar feindlichen Interesses geworden ist, ob er vielleicht Fehler bei der Verfolgung eines eigenen Interesses gemacht hat oder ob er an sozialen und moralischen Maßstäben scheitert – das will der Psychologe nicht beurteilen, geschweige denn kritisieren. Die von ihm betreuten Menschen sollen sich ausschließlich der Frage zuwenden, ob ihre Einstellung zu den Problemen stimmt. Und diese Einstellung „stimmt“ dann, wenn die Menschen durch einen Vorfall, der sie schädigt, ärgert oder unzufrieden macht, nicht aus der Bahn geworfen werden. Die Tipps, die man von Psychologen kriegt, sind entsprechend: hier mehr Selbstbewusstsein, da mehr Motivation und dort eine positive Sichtweise, dann kann der Mensch mit den Misslichkeiten, die die Konkurrenzgesellschaft für ihn bereithält fertig werden.
Die Kunst der Glücksfindung, die die Psychologie dem modernen Menschen vermittelt, besteht darin, die eigenen Erwartungen an die Welt und deren harte Realitäten anzupassen, deren Anforderungen als Bewährungsprobe zu betrachten und in der Erfüllung der gesellschaftlichen Pflichten seine Selbstverwirklichung zu suchen. Albert Krölls stellt in seinem Vortrag dar, inwiefern die Wissenschaft der Psychologie für dieses selbstbewusste Unterwerfungsprogramm, die passende Theorie liefert: Danach ist der Schlüssel menschlichen Verhaltens in der Innenwelt des Individuums zu suchen. Absichten und Beschlüsse des Menschen sind nur vordergründig das, was sein Handeln bestimmt. Die wahren Ursachen liegen hinter der Ebene des „beobachtbaren Bewusstseins“. Ob man das ,,Triebe“, ,,Reiz-Reaktions-Mechanismen“, ,,Dispositionen“, angeborene und/oder erworbene ,,Verhaltensmuster“ oder ,,Fähigkeiten“ etc. etc. nennt, darüber mögen die Schulen der Psychologie streiten.
Gemeinsam ist all dem, dass das, was der Mensch will, bestimmt wird als abhängige Variable von etwas, das sich im Willen des Menschen eigentlich ausdrückt. Dabei belässt es die Psychologie aber nicht. Sie erteilt dem Menschen vielmehr den Auftrag, seinen Willen dafür einzusetzen, an dem, was ihn doch angeblich determiniert, zu „arbeiten“ und das menschliche Innenleben so zu steuern und zu korrigieren, dass es zu den Anforderungen passt, die die äußere Welt stellt. Der Mensch wird bestimmt als ein eigentümliches Doppelwesen, das im Kampf mit sich selbst ein seelisches Gleichgewicht herstellen soll, das ihn in Einklang bringt mit den Umständen, die sein Leben bestimmen.
Der Vortrag von Albert Krölls untersucht die systematischen Fehler der Theoriebildung, den legitimatorischen Gehalt psychologischer Theorien und ihre Nützlichkeit für eine Gesellschaft, die es den allermeisten ihrer Mitglieder versagt, an die Mittel zu gelangen, mit denen sie sich ein schönes Leben machen könnten.